Monzinger Gemarkung, 21. und 22.11.2015
蘇軾 (蘇東坡)
題西林壁
橫看成嶺側成峰
遠近高低各不同
不識廬山真面目
只緣身在此山中
Su Shi (Su Dongpo)
Inschrift auf der Wand des Westwald-Tempels
das ebene wird gebirge und steigend wird es gipfel
von fern, von nah, von oben, unten - immer wandelnd zeigt es sich
von fern, von nah, von oben, unten - immer wandelnd zeigt es sich
der heiligen berge wahres gesicht, nie ist es zu erkennen
nur weil wir selbst inmitten dieser berge sind
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Anmerkung zu dem Gedicht:
Anmerkung zu dem Gedicht:
es handelt es sich um ein klassisches Qiyan Shi (七言詩), ein Gedicht von vier Zeilen mit jeweils sieben Schriftzeichen. Der Autor Su Shi (auch Su Dongpo, 1036-1101) war ein Universalgenie; nicht nur Maler und Kalligraph (der am höchsten geschätzte der Song-Dynastie), sondern auch Humanist, Ingenieur, Weinproduzent, kaiserlicher Sekretär, Richter und politischer Dissident. Vor allem jedoch war er einer der größten Dichter Chinas.
Im Jahre 1084 wurde Su Dongpo nach Junzhou in Henan verbannt. Auf dem Weg ins Exil durchquerte er den Lu Shan mit seinen zahlreichen buddhistischen Tempeln und Klöstern. Der Lu Shan oder ‚Klausenberg’ soll seinen Namen von der Einsiedelei des taoistischen Eremiten Kuang Su erhalten haben und er ist sowohl für Taoisten als auch für Buddhisten einer der heiligen Berge Chinas. Der Zen-Laienanhänger Su Shi besuchte dort auch den buddhistischen Xilin–Tempel (Westwald-Tempel) mit seiner berühmten Qianfo-Pagode, dem Turm der tausend Buddhas. Noch heute lebt in dem Tempel eine Gemeinschaft buddhistischer Nonnen und in der Pagode befinden sich 1800 Jadestatuen Budhas. Dort, als Inschrift auf einer Mauer, hinterließ Su Dongpo das Gedicht.
廬山真面目 (lú shān zhēn miàn mù) - wörtlich: das wahre Gesicht des Lu Shan (der oft im Nebel verborgen ist), ist sprichwörtlich für das wahre Aussehen eines Dinges oder einer verkleideten Person. 真面目 (zhēn miàn mù), das wahre Gesicht, ist aber auch ein Ausdruck für die reine Soheit des Seins. Das inmitten der Berge, in der objektiven Welt wandernde und wandelnde Selbst kann deren wahres Sein, ihre ‚Heiligkeit’ nicht erkennen - nur ihren objektiven Schein, der sich ständig in Abhängigkeit vom Standort des subjektiven Selbst ändert. Dort, wo sich das ‚wahre Gesicht’ des heiligen Berges Lu Shan zeigt, gibt es weder Selbst noch Nicht-Selbst. Und doch – oder gerade deshalb – ist dieses ‚dort’ nichts anderes als das ‚hier’.
In der ‚Meisselschrift vom Vertrauen in den Geist’ des dritten Zen-Patriarchen Seng Can heisst es:
Der Ort nicht-denkender Erkenntnis
ist mit unterscheidendem Geist
unmöglich zu ermessen
Im Dharma-Reich absoluter Soheit
ist nicht Anderes, nicht Selbst.
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Nachschrift vom 22.11.2015
Als ich heute Nacht noch einmal vor die Tür ging, fiel der erste Schnee. Das letzte Drittel des Herbstes (in einem Monat ist Sonnenwende) wird rauh.
Beim Tee heute vormittag habe ich einen alten Fall über das Spazierengehen in den Bergen nachgeschlagen. "Beginne, indem Du dem Duft des Grases folgst und kehre zurück, indem Du den fallenden Blüten nachjagst". Das hat wirklich nichts mit der Bedeutung des Frühling zu tun. Tropfen von Herbsttau auf dem Lotus ist da schon etwas näher dran ...
Ein bemerkenswerter Meister. Dogen notierte ein anderes Beispiel von ihm: Als man ihn fragte: "wie wendest du Berge, Flüsse und die große Erde und kehrst zum Selbst zurück?" gab er zur Antwort: "wie wendest du das Selbst und kehrst zu den Bergen, Flüssen und zur großen Erde zurück?" Dogen versah sowohl Frage wie auch Antwort mit einer Anmerkung. Zur Frage: "Wovon spricht er? Es scheint, er verwechselt Pferd und Karren." - und zur Antwort: "Zurück in deinem eigenen Hinterhof gibt es nichts, wohin dies nicht reicht."
Danke für das Teilen _()_
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