(Anton Webern)
Da die Hirten ihre Herde
Ließen und des Engels Worte
Trugen durch die niedre Pforte
Zu der Mutter und dem Kind,
Fuhr das himmlische Gesind
Fort im Sternenraum zu singen,
Fuhr der Himmel fort zu klingen:
"Friede, Friede auf der Erde!"
Seit die Engel so geraten,
O wie viele blutge Taten
Hat der Streit auf wildem Pferde,
Der geharnischte, vollbracht!
In wie mancher heilgen Nacht
Sang der Chor der Geister zagend,
Dringlich flehend, leis verklagend:
"Friede, Friede auf der Erde!"
Doch es ist ein ewger Glaube,
Daß der Schwache nicht zum Raube
Jeder frechen Mordgebärde
Werde fallen allezeit:
Etwas wie Gerechtigkeit
Webt und wirkt in Mord und Grauen,
Und ein Reich will sich erbauen,
Das den Frieden sucht der Erde.
Ich habe es mir versagt, zum aktuellen Kalenderereignis etwas zu Meister Eckarts 'ewiger Geburt' zu schreiben. Angesichts der die allgemeine Festtagsstimmung konterkarierenden Nachrichten erschien mir dies unangemessen. Vielleicht nächstes Jahr. Stattdessen Arnold Schönbergs großartige Vertonung von Conrad Ferdinand Meyers Gedicht, bei dem die weihnachtliche Idylle transparent wird für das Grauen - aber auch die Hoffnung.
Wie es das Zitat von Anton Webern andeutet, ist die Utopie gegenwärtig - nicht zuletzt in der Musik, im Klang der Welt. Und in dem, der zu hören vermag ...
Für den ist Samadhi gewonnen,
Der den Weg des Hörens sich wählte.
Avalokitesvara Bodhisattva
Hat damit Befreiung vom Leiden gefunden.
Unzählbar wie Sandkörner im Ganges
Sind die Weltalter, da er die gleiche Zahl
An Buddha-Ländern erleuchtet betrat,
Verseh'n mit der Macht seiner inneren Freiheit,
Furchtlosigkeit unter den Wesen verbreitend.
O du, dessen wunderbar reine
Stimme den Gezeiten gleicht,
Der du niederblickst auf das menschliche Wort,
Hilf uns Weltlichen, biete uns Zuflucht,
Gib Erlösung und Ewigkeit.
Dem Tathägata will ich ergeben erklären
Avalokitesvaras heiliges Wort;
Wenn man weilt in ewiger Stille,
Donnern Trommeln um den Weltenkreis.
Wer sie hört, der ist vollkommen.
Das Auge durchdringt keine Schranken,
Nicht der Mund und nicht die Nase.
Durch Kontakt nur empfindet der Körper,
Gedanken sind wirr und zerrissen.
Doch die Stimme, nah oder ferne,
Kann immer, beständig man hören.
Die fünf ändern Organe sind unvollkommen,
Alldurchdringend allein ist das Hören.
Das ,Sein' oder ,Nichtsein' von Laut und Stimme
Registriert das Ohr als ,ist' oder ,fehlt'.
Da, wo kein Laut ist, wird nichts gehört,
Nichthören ist leer von Natur.
Fehlen des Lauts heißt nicht Ende des Hörens,
Vorhandener Laut, nicht des Hörens Beginn.
Das Hören selbst ist von ständiger Dauer,
Gehört wird von dem, was entsteht und vergeht.
Und selbst wenn im Traum sich Ideen bilden,
Obgleich man nicht denkt - Gehör bleibt besteh'n.
Denn die Hörfähigkeit ist jenseits des Denkens
Und reicht hinaus über Geist und Leib.
In dieser Sahâ-Welt
Geschieht Belehrung durch Stimme.
Wer des Hörens Natur nicht durchschaun kann,
Folgt dem Laut und wird wiedergeboren.
Was Ânanda hörte, das hat er behalten,
Doch das hinderte nicht sein irriges Denken.
So stürzt ins Samsâra, wer sich klammert an Laute.
Die Wahrheit kommt nicht aus dem weltlichen Strom.
So höre, Ânanda, und höre mit Sorgfalt.
Ich proklamiere im Namen des Buddha
Des Vajra-König der Erleuchtung,
Jenes unbegreifbare Erkennen,
Daß alle Erscheinung nicht wirklich ist.
Dies ist Samädhi, die Buddhazeugung.
Du magst von Methoden hören,
Von zahllosen Buddhas verkündet;
Doch trägst du noch Wünsche im Herzen,
Entsteht dir durch Hören nur Irrtum.
Warum wendest du nicht nach innen,
Dem wahren Geist zu lauschen,
Jenes Ohr, das dem Buddha du öffnest?
Nicht von sich aus ist das Hören,
Es ist bedingt durch den Laut.
Wie nennst du, was losgelöst ist,
Wenn, vom Laut gelöst, du zurücklauschst?
Kehrt ein Sinnesorgan sich zur Quelle,
Werden alle sechs Sinne erlöst.
Wie optische Täuschung sind Sehen und Hören,
Die Dreiwelt gleicht einer Blume am Himmel.
Wenn das Hören von seinen Objekten gelost ist,
Verschwindet das Trugbild ,Hörorgan'.
Vollkommen die Bodhi, wo Objekte entwurzelt.
In höchster Reinheit ist alldurchdringend das Licht,
Das in strahlender Ruhe die große Leerheit entfaltet.
In der Nähe beseh'n sind die weltlichen Dinge
Illusionen, wie sie die Träume vermitteln.
Wie ein Traum war das Mâtangi-Mädchen.
Wie konnte sie deinen Körper besiegen?
Sieh etwa den Gaukler,
Den Puppenspieler:
Das Leben der Puppen
Ist das Werk dieses Spielers.
Ihr Leben ist fort,
Wenn er nicht mehr wirkt.
So auch die sechs Organe,
Die belebt sind vom âlaya,
Geschaffen zu sechsfacher Einheit.
Kehrt eins zurück zur Quelle,
So sind alle sechs verschwunden.
Wo alle Einflüsse enden,
Da ist Bodhi verwirklicht.
Befleckende Restbestände
Erfordern weitere Mühe;
Dagegen ist volle Erleuchtung
Der Gewinn des Tathägata.
Ânanda und alle ihr Hörer,
Ihr solltet nach innen wenden
Das Hören, um euch zu erkennen,
Denn das nur verhilft zur Erleuchtung.
So nur wird Bodhi gewonnen.
Wie Sandkörner zahlreich sind Buddhas,
Die so das Nirvâna gewannen.
Alle Tathâgatas der Vergangenheit
Haben entschieden sich zu diesem Weg.
Alle Bodhisattvas der Gegenwart
Haben gewählt eben diese Vollkommenheit.
Ihr alle, die ihr in Zukunft übt,
Sollt euch verlassen auf diesen Dharma.
Avalokitesvara war es nicht allein,
Der ihn übte,
Auch ich schritt diesen Weg.
Der Erleuchtete, Hocherhabene,
Hat gefragt nach dem nützlichsten Mittel,
In diesen gesetzlosen Zeiten
Dem Samsâra zu entrinnen,
Ins Herz der Nirvânatiefe.
Die Kontemplation des Welt-Lauts
Ist die beste aller Methoden.
Alle andern sind nur Mittel
Des Buddha für jeweilige Fälle,
Den Schüler zu befreien
Von diesen und jenen Beschwerden,
Doch nicht für die zielvolle Praxis
Von Menschen verschiedner Naturen.
Gruß sei des Tathägatas Reichtum
Weit jenseits des weltlichen Stromes.
Heil kommenden Generationen,
Daß ihnen der Glaube eigen,
Diesen leichten Weg zu gehen.
Er diene Ânanda zur Lehre
Und den Menschen düsterer Zeiten,
Daß sie lernen, ihr Ohr zu verwenden,
Dies wahrlich unübertroffne
Vermittlungsorgan zum Urgeist.
(Surangama Sutra)
Möge unser Bemühen alle Wesen und Orte
mit dem wahren Segen des Buddhaweges durchdringen.
Mögen alle Menschen glücklich sein.