Gakudo yojin-shu

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Richtlinien für das Studium des Weges
Dogen Kigen
(1200-1253)
1. Ihr solltet den Gedanken des Erwachens erzeugen.

Der Gedanke des Erwachens hat viele Namen, doch alle beziehen sich auf ein und denselben Geist. Der Patriarch Nagarjuna sprach: „Der Geist, der vollständig in die unsichere Welt von Geburt und Tod schaut, wird der Gedanke des Erwachens genannt“. Wenn wir also diesen Geist bewahren, kann dieser Geist der Gedanke des Erwachens werden.
Denn tatsächlich, wenn ihr Unbeständigkeit versteht, dann tritt die Vorstellung von einem Selbst nicht in Erscheinung; Ideen von Status und Gewinn erheben sich nicht. Fürchtet das rasche Vergehen des Sonnenlichts und übt, als wolltet ihr euren in Flammen stehenden Kopf retten. Bemüht euch beim Nachdenken über dieses vergängliche Leben wie Buddha, der seinen Fuß hebt.

Wenn ihr den Lobgesang eines Kinnara-Gottes oder Kalavinka-Vogels hört, dann lasst ihn wie die Abendbrise sein, die euer Ohr streift. Wenn ihr das schöne Gesicht von Maiqiang oder Xishi seht, dann lasst es wie Morgentau sein, der euch zu Gesicht kommt. Freiheit von den Fesseln des Klanges und der Form ist auf natürliche Weise in Einklang mit der Essenz des Weg-suchenden Geistes.

Wenn ihr von Studierenden mit geringem Wissen hört, jetzt oder in der Vergangenheit, oder Leuten mit begrenzter Sicht begegnet, dann sind diese oft in die Grube von Ruhm und Gewinn gefallen und haben in ihrem Leben für immer den Weg Buddhas verfehlt. Wie schade! Wie bedauerlich! Ihr solltet dies nicht übersehen.

Selbst wenn ihr die Sutras der förderlichen oder der vollständigen Lehren lest oder die Schriften der exoterischen oder esoterischen Schulen überliefert; ohne Name und Gewinn von euch zu werfen, kann es nicht Erweckung des Gedankens des Erwachens genannt werden.

Einige dieser Leute sagen: “Der Gedanke des Erwachens ist der Geist höchsten, vollkommenen Erwachens. Kümmert euch nicht um die Pflege von Ruhm oder Gewinn.“ Einige von ihnen sagen: „Der Gedanke des Erwachens ist die Einsicht, dass jeder Gedanke dreitausend Reiche enthält.“ Einige von ihnen sagen: „Der Gedanke des Erwachens ist der Geist des Eintritts in das Buddha-Reich.“ Solche Leute wissen noch nicht und irrtümlich verleumden sie den Gedanken des Erwachens. Sie sind fern vom Weg Buddhas.

Versucht, über den Geist nachzudenken, der nur mit eigenem Gewinn beschäftigt ist. Verträgt sich dieser eine Gedanke mit der Natur und den Merkmalen der dreitausend Reiche? Verwirklicht dieser eine Gedanke das Dharma-Tor des Ungeboren-Seins? Da gibt es nur den verblendeten Gedanken von Gier nach einem großen Namen und Liebe zu Gewinn. Da ist nichts, was man für den Gedanken des Erwachens halten könnte.

Seit Urzeiten haben Weise den Weg erlangt und den Dharma verwirklicht. Obwohl sie – zur förderlichen Lehre – ein gewöhnliches Leben führten, hatten sie doch keine verzerrten Gedanken über Ruhm oder Profit. Nicht einmal am Dharma anhaftend, wie hätten sie da weltliche Anhaftungen haben können?

Der Gedanke des Erwachens, wie schon erwähnt, ist der Geist, der in die Unbeständigkeit schaut. Dies ist das Fundamentalste und nicht im Geringsten dasselbe wie der Geist, auf den von verwirrten Leuten verwiesen wird. Das Verständnis, dass jeder Gedanke ungeboren ist oder die Einsicht, dass jeder Gedanke dreitausend Reiche enthält, ist eine hervorragende Übung, nachdem man den Gedanken des Erwachens erweckt hat. Dies sollte man nicht verwechseln.

Vergiss einfach einmal dich selbst und praktiziere innerlich – das ist eins mit dem Gedanken des Erwachens. Wir sehen, dass die zweiundsechzig Ansichten auf dem Selbst basieren. Wenn also die Vorstellung eines Selbst aufsteigt, sitze still und betrachte sie. Ist da eine nun tatsächliche Grundlage innerhalb oder außerhalb deines Körpers? Dein Körper ist mit Haut und Haaren lediglich von Vater und Mutter geerbt. Von Anfang bis Ende ist jeder Tropfen Blut oder Gewebeflüssigkeit leer. Also ist nichts davon das Selbst. Was ist mit Geist, Denken, Wahrnehmung und Wissen? Oder der ein- und ausgehende Atem, der einem Leben Zusammenhang gibt: was ist er letzlich? Nichts davon ist das Selbst. Wie könntest du einem davon anhaften? Verblendete Leute haften ihnen an. Erwachte Leute sind frei davon.

Du glaubst, da sei ein Selbst, wo keines ist. Du haftest an Geburt, wo keine Geburt ist. Du übst den Weg Buddhas nicht, der geübt werden sollte. Du schneidest nicht den weltlichen Geist ab, der abgeschnitten werden sollte. Die wahre Lehre vermeidend und gegenstandsloser Lehre folgend, wie solltest du da nicht irregehen?

2. Wenn du einmal die wahre Lehre hörst oder siehst, solltest du sie unbedingt praktizieren.

Ein Satz, von einem treuen Diener dargeboten, kann die Kraft besitzen, den Lauf einer Nation zu ändern. Ein Wort, von einem Buddha-Vorfahren gegeben, kann nicht darin versagen, der Menschen Geist umzuwenden. Der törichte Regent verwirft den Rat des Dieners. Jemand, der nicht voranschreitet, kann nicht Buddhas Lehre annehmen. Wenn du unbeugsam bist, kannst du nicht aufhören, in Geburt und Tod umher zu treiben. Wird angemessener Rat nicht geachtet, kann tugendhafte Regierung nicht verwirklicht werden.

3. Auf dem Weg des Buddha solltest Du stets durch Übung in Erwachen eintreten.

Ein weltlicher Lehrer spricht: "Durch Studium erwirbt man Wohlstand." Buddha spricht: "In der Übung ist Erwachen."

Nie wurde vernommen, dass jemand ohne Studium zu Wohlstand käme oder dass jemand ohne Übung Erwachen erlangte. Obwohl es unterschiedliche Übung gibt – veranlasst durch Vertrauen oder Kenntnis des Dharma, mit Schwergewicht auf plötzlichem oder schrittweisem Erwachen – du hängst immer von Übung ab, um über Erwachen hinaus zu gehen. Auch wenn Studium oberflächlich oder gründlich sein kann, und Studierende scharfsinnig oder begriffstutzig sein können, so erwirbt fortgesetztes Studium doch Wohlstand. Dies hängt nicht notwendig von der Fähigkeit oder Unfähigkeit des Herrschers ab noch dürfte es davon abhängen, ob jemand Glück oder Pech hat. Sollte jemand ohne Studium Wohlstand erlangen, wie könnte er den Weg vermitteln, auf dem die alten Herrscher, sei es in Zeiten von Ordnung oder von Unordnung, das Land regierten? Würdest du Verwirklichung ohne Übung erlangen, wie könntest du des Tathagatha Lehre von Wahn und Erwachen begreifen?

Du solltest wissen, dass du durch Erwecken der Übung inmitten des Wahnes Verwirklichung erlangst, noch bevor du sie erkennst. Da weisst du als Erstes, dass das Floß des Diskurses wie der Traum von gestern ist und schließlich schneidest du dein altes Verständnis, das in den Schlingen und Schlangen von Wörtern gefangen ist, ab. Nicht Buddha lässt dies geschehen, sondern es wird durch deine allumfassende Anstrengung vollendet.

Darüber hinaus – das, was die Übung hervorruft, ist Erwachen; dein Schatzhaus kommt nicht von außen. Übung ist die Funktion des Erwachens, wie könnte das handeln des Geistgrundes irre gehen? Wenn du also das Auge des Erwachens wendest und das Reich der Übung zurückspiegeln lässt, trifft nichts spezielles dein Auge und du siehst für zehntausende von Kilometern nur weiße Wolken. Erweckst du Übung als den Gedanken, die Stufen des Erwachens empor zu steigen, wird nicht einmal ein Staubkorn deinen Füßen Halt bieten; du wirst so weit von wahrer Übung entfernt sein wie der Himmel von der Erde. Nun tritt einen Schritt zurück und springe über das Buddha-Land hinaus.

Dieser Teil wurde am Nacht-Tag im dritten Monat des zweiten Tempuku-Jahres [1234] geschrieben.

4. Du solltest Buddhas Lehre nicht mit dem Gedanken an Gewinn üben.

Buddhas Lehre wird immer geübt, indem man die erforderlichen Anleitungen eines Meisters erhält, nicht indem du deinen eigenen Ideen folgst. Tatsächlich kann Buddhas Lehre nicht durch das Haben oder Nicht-Haben von Ideen erlangt werden. Nur wenn der Geist reiner Übung mit dem Weg zusammenfällt, werden Körper und Geist still sein. Wenn Körper und Geist noch nicht still sind, werden sie nicht ruhen. Wenn Körper und Geist nicht ruhen, wachsen Dornen auf dem Pfad der Verwirklichung.

Wie sollten wir also vorgehen, so dass reine Übung und der Weg zusammenfallen? Gehe mit dem Geist vor, der weder ergreift noch zurückweist, dem Geist, der sich nicht mit Status oder Gewinn befasst. Übe nicht den Buddha-Dharma mit dem Gedanken, es sei um Anderen zu nützen.

Leute in der heutigen Welt, selbst solche, die den Buddha-Dharma üben, haben einen Geist, der weit vom Weg entfernt ist. Sie üben, was Andere loben und bewundern, obwohl sie wissen, dass es nicht mit dem Weg übereinstimmt. Sie weisen zurück und üben nicht, was Andere nicht ehren und loben, obwohl sie wissen, dass es der wahre Weg ist. Wie schmerzlich! Du solltest versuchen, deinen Geist zu beruhigen und zu untersuchen, ob diese Haltungen der Buddha-Dharma sind oder nicht. Du könntest völlig beschämt sein. Das Auge des Weisen beleuchtet dies.

Ganz klar wird der Buddha-Dharma nicht zum eigenen Nutzen geübt und noch weniger zum Nutzen von Ruhm und Profit. Nur zum Nutzen des Buddha-Dharma solltest du ihn üben.

Das Mitgefühl und die Sympathie aller Buddhas für fühlende Wesen ist weder zu ihrem eigenen Nutzen noch für Andere. Es ist lediglich die Natur des Buddha-Dharma. Ist es nicht offensichtlich, dass Insekten ihren Nachwuchs nähren, sich dabei mit mühseliger Arbeit erschöpfen und doch am Ende keine Belohnung erhalten, wenn ihr Nachwuchs erwachsen ist? Auf diese Weise gleicht das Mitgefühl kleiner Kreaturen mit ihrem Nachwuchs ganz natürlich dem Denken aller Buddhas an die fühlenden Wesen.

Der unfassbare Dharma aller Buddhas ist nicht allein Mitgefühl, sondern Mitgefühl ist die Grundlage der verschiedenen Lehren, die universell erscheinen. Wir sind jetzt schon Kinder der Buddhas. Warum nicht ihrer Leitung folgen?

Studierende! Übt nicht den Buddha-Dharma zu eurem eigenen Nutzen. Übt nicht den Buddha-Dharma für Status und Gewinn. Übt nicht den Buddha-Dharma, um wundersamer Effekte willen. Übt den Buddha-Dharma ausschließlich um des Buddha-Dharma willen. Das ist der Weg.

5. Du solltest einen wahren Lehrer suchen, um Zen zu üben und den Weg zu studieren.

Ein Lehrer aus alten Zeiten sprach: "Ist der Beginn nicht richtig, werden Myriaden von Übungen nutzlos sein."

Wie wahr diese Worte sind! Übung auf dem Weg hängt davon ab, ob der führende Meister ein wahrer Lehrer ist oder nicht.

Der Schüler ist wie Holz und der Lehrer gleicht einem Handwerker. Selbst wenn es gutes Holz ist, ohne einen fähigen Handwerker tritt seine außerordentliche Schönheit nicht zu Tage. Selbst wenn das Holz verzogen ist, in fähigen Händen erscheinen sofort seine großartigen Vorzüge. Von daher solltest du wissen, ob Verwirklichung echt oder falsch ist, davon abhängend, ob der Lehrer ein wahrer ist oder unfähig.

Aber in unserem Land hat es seit alters her nicht viele wahre Lehrer gegeben. Woher wissen wir dies? Wir können dies vermuten, indem wir ihre Worte studieren, so wie wir Wasser aus einem Fluss schöpfen und Schlüsse über die Quelle ziehen. In unserem Land haben von alters her verschiedene Lehrer Bücher geschrieben und ihre Schüler unterwiesen, haben ihre Lehren Menschen und himmlischen Wesen angeboten. Ihre Worte sind unreif, ihr Diskurs noch nicht ausgereift. Sie haben noch nicht den Gipfel des Studiums erreicht, wie könnten sie dem Zustand der Verwirklichung nahe gekommen sein? Sie haben nur Worte und Sätze überliefert oder die Veränderung von Buddhas Namen gelehrt. Sie zählen Tag und Nacht die Schätze anderer Leute und besitzen selbst keinen halben Pfennig.

Frühere Lehrer sind dafür verantwortlich. Sie lehrten die Leute, Erwachen außerhalb des Geistes zu suchen, oder Wiedergeburt in einem anderen Land zu suchen. Dadurch entsteht Verwirrung. Missverstandene Ideen entstehen daraus.

Auch wenn du gute Medizin gibst, wenn du keine Methode der Kontrolle lehrst, wird ihr Gebrauch kränker machen als das Schlucken von Gift. Es scheint, dass seit alters her in unserem Land niemand gute Medizin gegeben hat. Es gibt noch keine Meister, die die giftigen Effekte der Medizin kontrollieren können. Daher ist es schwierig, Geburt-und-Tod zu durchdringen. Wie können Alter und Tod da überwunden werden.

All dies ist die Schuld der Lehrer, nicht im Geringsten Schuld der Schüler. Der Grund ist der, dass jene, die Lehrer sind, die Leute die Wurzel vernachlässigen lassen und nach den Zweigen gehen. Bevor sie wahres Verstehen errichten, sind sie in ihrem eigenen Denken gefangen und lassen unwillentlich Andere in das Reich der Verwirrung eintreten. Wie bedauerlich! Jene, die Lehrer sind, verstehen diese Verwirrung noch nicht. Wie könnten Studierende Richtig und Falsch verstehen?

Wie bedauerlich! In dieser kleinen, entlegenen Nation ist der Buddha-Dharma noch nicht weit verbreitet. Wahre Meister sind hier noch nicht erschienen. Wenn du den unübertroffenen Buddha-Weg studieren willst, musst du weit reisen, um dich an die Meister im China der Song zu wenden und du musst tief über die lebensnotwendige Straße außerhalb des Denkens nachdenken. Es ist besser, nicht zu studieren, bevor du einen wahren Lehrer hast.

Ungeachtet seines Alters oder seiner Erfahrung ist ein wahrer Lehrer einfach jemand, der die wahre Lehre verstanden hat und das Siegel der Verwirklichung des authentischen Lehrers erhalten hat. Er stellt nicht Schriften in den Vordergrund oder Verstehen in den Vordergrund, seine Fähigkeit ist jenseits jedes Rahmens und sein Geist durchdringt frei die Knoten im Bambus. Er kümmert sich nicht um Selbstverständnis und stagniert nicht in seinen Gefühlen. So sind Praxis und Verstehen in gegenseitiger Übereinstimmung.