Montag, 1. Juli 2013

Made in Dresden

Anmerkungen zu einem Kunstprojekt

In München wird derzeit vom Kulturreferat der Stadt das Projekt 'A Space Called Public' umgesetzt. Beauftragt damit wurden zwei umtriebige Herren, die sich Elmgreen & Dragset nennen und dafür mit üppigen 1.200.000 € aus dem Stadtsäckel ausgestattet wurden. Teil des Projektes ist die Aktion 'Made in Dresden', bei der eine von dem Malaysier Han Chong angefertigte ca. 4 m hohe Buddhafigur aus Glasfaser  5 Monate auf dem Viktualienmarkt herumliegen soll. Liegen muss sie, so dass man den Schriftzug 'Made in Dresden' auf dem Boden der Figur lesen kann. Warum der Schriftzug nicht auf dem Rücken des Buddha hätte stehen können, wird wohl das Geheimnis des Künstlers bleiben. Über die Aktion wurde verschiedentlich in der Presse berichtet, hier eine kleine Auswahl:

http://alturl.com/j4o2a
http://alturl.com/nzmfr
http://alturl.com/cbm43
http://alturl.com/jbx8r
http://alturl.com/ysurd
http://alturl.com/a6kgd

Update 03.07.: Gestern berichtete Khaosod Online (Khaosod ist eine der auflagenstärksten Zeitungen Thailands) über eine Protestdemonstration vor der deutschen Botschaft in Bangkok http://alturl.com/966o2
Auch die  Bangkok Post (Thailands größte englischsprachige Zeitung) berichtete: http://alturl.com/2nyn3
Einen ersten Bericht gab es dort schon am 27.06.: http://alturl.com/75b4f . Auch der Fernsekanal DMC (Dhammakaya Foundation Media Channel) berichtete: http://alturl.com/e9krf

Das hier allerdings ist München (vielen Dank an gendo6!):


Mittelalte Männer mit asiatischen Ehefrauen?

Copyright: T-W.
 Nicht nur ein Ärgernis für Buddhisten (natürlich nicht für alle, wir kommen gleich dazu). Der Erste, der sich brüskiert gefühlt und an die DBU gewandt hat, war ein einfacher Münchner Bürger - erklärtermaßen kein Buddhist - der sich für 'seine' Stadt geschämt hat. Respekt vor so viel Anstand. Es gibt eine Bürgerinitiative mit dem Namen 'Interessen-gemeinschaft München' - ebenfalls Münchner Bürger ohne jede Verbindung zur DBU - die mit einer Flugblattaktion gegen 'Made in Dresden' protestieren. Auch die buddhis-tischer Tendenzen gewiss unverdächtige CSU-Fraktion des für den Viktualienmarkt zuständigen Bezirksausschusses Altstadt-Lehel wehrt sich gegen diese Art von kultureller Selbstdarstellung Münchens und bescheinigt dem Kultur-referat Diskriminierung, Respektlosigkeit und Ignoranz gegenüber anderen Kulturen und Religionen.

Copyright: T-W.
Nicht alle wenden sich an die DBU. Auch direkt beim Kulturreferat beschweren sich "mittelalte Männer mit asiatischen Ehefrauen" - oder sollte damit womöglich die DBU gemeint gewesen sein? Diese Qualifizierung von Kritikern durch die Pressesprecherin Fr. Becker (übrigens der konkrete Anlass für die von der CSU monierte Diskriminierung) sollte man sich ruhig mal auf der Zunge zergehen lassen. Ansonsten ist das natürlich nur (man kennt solche Abwiegeleien ja zur Genüge) "ein Sturm im Wasserglas" und selbstverständlich "steht die Mehrheit der Buddhisten hinter dem Projekt". Woher Frau Becker nun diese erstaunliche Erkenntnis bezogen hat, wird wohl auf immer ihr Geheimnis bleiben müssen. Da wird schon hinreichend deutlich, welcher Geist im Kulturreferat München herrscht und wie weit her es mit der Bereitschaft zu einem offenen Diskurs über die Aktion 'Made in Dresden' ist. Nachdem verschiedene Buddhisten und auch peinlich berührte Nichtbuddhisten sich an die DBU gewandt hatten, hat diese in einem offenen Brief dem Kulturreferat München vier Fragen gestellt.
Sehr geehrter XXXX,
mit erheblichem Befremden haben wir die Installation "Made in Dresden" von Han Chong am Viktualienmarkt zur Kenntnis genommen, die dort noch bis zum 30. September ausgestellt werden soll. Befremdet vor allem, weil diese Skulptur nicht auf Privatgelände, sondern im öffentlichen Raum ausgestellt wird. Um so größer war unser Befremden, als wir erfahren mussten, dass diese Aktion vom Kulturreferat der Stadt München darüber hinaus auch noch finanziell gefördert wird.

So sehr wir die grundgesetzlich garantierte Freiheit der Kunst respektieren, so unverständlich ist es für uns doch, wenn tatsächliche oder nur als solche deklarierte "künstlerische" Aktionen, die von den Angehörigen einzelner religiöser Gemeinschaften als Beleidigung und Herabwürdigung ihrer religiösen Überzeugungen empfunden werden müssen, von öffentlichen Stellen nicht nur durch die Genehmigung der Präsentation im öffentlichen Raum sondern sogar durch finanzielle Zuwendungen gefördert werden. In diesem Zusammenhang möchten wir sie höflich um Beantwortung folgender Fragen bitten:

1. gab es im Kulturreferat vorab Überlegungen über die Empfindungen, die eine derartige Zurschaustellung eines religiösen Symbols in der Öffentlichkeit bei Buddhisten hervorzurufen geeignet ist? Wenn ja, welche?
2. wurden seitens des Kulturreferats Vertreter buddhistischer Religionsgemeinschaften in Bezug auf diese Aktion angesprochen? Wenn ja, wer waren diese Personen und welche Stellung haben sie dazu bezogen?
3. mit welchem Betrag fördert die Stadt München die Aktion "Made in Dresden" von Herrn Han Chong?
4. würde das Kulturreferat der Installation einer überlebensgroßen, umgestürzten Jesus- oder Marienfigur mit der Aufschrift "Made in Hongkong" am Viktualienmarkt für fünf Monate zustimmen und diese künstlerische Aktion finanziell fördern? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, mit welchem Betrag dürfte man dann rechnen?

In Erwartung einer baldigen Antwort usw. usf.

Natürlich sprach das Kulturreferat sein "Bedauern" aus und gab ansonsten seiner Überzeugung Ausdruck, das alles sei nur ein Missverständnis (natürlich eines seitens der DBU). Zur Aufklärung der buddhistischen Kunstbanausen verwies man auf Presseerklärungen und bot ein Gespräch mit dem Künstler Han Chong an - an dem die DBU, im Gegensatz zu einem Gespräch mit dem Verantwortlichen des Kulturreferates jedoch nicht interessiert war. Überhaupt, die Sache mit der Verantwortung - die lehnte man ab, die liege bei Elmgreen & Dragset und die wolle man nicht zensieren. Seltsam - schreiben doch die Förderkriterien des Kulturreferates eindeutig als Voraussetzung der Förderung die Vorlage einer Projektbeschreibung sowie einer nachvollziehbaren Kostenkalkulation vor. Okay - diese Richtlinien gelten wohl nur für die Förderung von Münchner Kulturschaffenden. Bei Nicht-Münchnern ist man da anscheinend nicht so streng - denen drückt man 1,2 Millionen in die Hand und lässt sich dann überraschen, was die wohl damit anfangen. Zumindest wollte man das der DBU weismachen. Nun - wenn das tatsächlich der Fall ist, dann geht man im Münchner Kulturreferat wohl noch um Etliches verantwortungsloser mit öffentlichen Mitteln um als befürchtet.

Da keine der gestellten vier Fragen beantwortet wurde, folgte ein zweiter offener Brief:

Sehr geehrter XXXX,
zunächst möchten wir uns für die schnelle Reaktion auf unser Schreiben vom 21.05.2013 bedanken, jedoch dazu anmerken, dass eine Antwort nur dann sinnvoll ist, wenn sie auf die gestellten Fragen eingeht und sie nicht einfach ignoriert, wie Sie es in Ihrem 'Antwortschreiben' tun. Sie beantworten keine einzige der vier von uns an Sie gerichteten Fragen, sondern versuchen uns stattdessen mit einer unerbetenen und völlig überflüssigen Erläuterung der in Frage stehenden Kunstaktion abzuspeisen.

Seien sie versichert, dass auch in buddhistischen Kreisen Arnold Gehlens Diktum von der Kommentarbedürftigkeit moderner Kunst nicht gänzlich unbekannt ist und dass wir uns über das eher schlichte Konzept dieser Aktion kundig gemacht haben, bevor wir uns an Sie gewandt haben. Welche Relevanz nun die Tatsache, dass in Dresden Pseudoasiatika für den europäischen Markt hergestellt werden, für Münchener Bürger und Besucher dieser Stadt hat und ob ein Hinweis auf diese Tatsache der Münchener Stadtkasse einige hunderttausend Euro wert sein darf, diese Frage mögen Andere beantworten. Woran der Kontext dieser Aktion aber nicht das Geringste ändert, das ist die Tatsache, dass auf dem Viktualienmarkt unübersehbar ein religiöses Symbol im Straßendreck liegt. Ob dieses Symbol nun in Asien oder in Dresden, von einem nepalesischen Kunsthandwerker oder von Herrn Han Chong hergestellt wurde, ist dabei völlig irrelevant.

Es ist nicht der mehr oder weniger zweifelhafte Sinn dieser Aktion, der von uns kritisiert wird - auch insofern liegt unsererseits kein Erklärungsbedarf vor - sondern das künstlerische Mittel Ihrer Ausführung; mit anderen Worten die Respektlosigkeit und die fehlende Sensibilität im Umgang mit einem religiösen Symbol, das in diesem Fall auch noch das Abbild eines von Millionen Menschen verehrten Religionsstifters ist. Selbst diese Respektlosigkeit wäre nach unserer Auffassung grundsätzlich im Hinblick auf die durch das Grundgesetz garantierte Freiheit der Kunst noch tolerabel. Eine Förderung aus öffentlichen Mitteln und die Zurschaustellung im öffentlichen Raum ist es aus unserer Sicht allerdings nicht mehr. Hier verletzt eine Behörde die ihr zur Pflicht gemachte weltanschauliche Neutralität.

Sie lassen auf Ihrer Webseite zu dieser Aktion verlauten: "Die zahlreichen Touristen – nicht nur aus Asien - und die Münchnerinnen und Münchner werden mit Han Chongs temporärer Installation vielleicht einen neuen Blick auf den traditionsreichen Viktualienmarkt werfen." Nun - was deutsche Buddhisten angeht, von denen die DBU über 18.000 vertritt, so werfen diese nun vor allem einen neuen Blick auf die Münchener Stadtverwaltung und ihr Kulturreferat. Was die Touristen angeht, so sollten Sie sich vielleicht doch besser vorrangig Gedanken über Touristen aus Asien machen. Bitte machen Sie sich doch einmal kundig, wie etwa buddhistische Besucher aus Sri Lanka oder Thailand (um nur zwei Beispiele zu nennen) eine solche Installation empfinden. Bestenfalls als ignoranten Umgang mit einer fremden Kultur, eher als typisch postkoloniale Arroganz wenn nicht gar – ungeachtet der Nationalität des Künstlers - als 'typisch deutsch' mit allen negativen Konnotationen. Wir denken nicht, dass dies im Sinn einer positiven Selbstdarstellung Münchens als einer weltoffenen Kulturstadt ist und fordern Sie daher auf, diese Aktion schnellstmöglich zu beenden. Die DBU behält sich ansonsten vor, in internationalen buddhistischen Presseportalen wie z.B. Buddhist Channel auf diese mehr als zweifelhafte Art der ‚Imagewerbung’ hinzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen usw. usf.

So weit, so gut - aber deutsche Buddhisten wären nun einmal keine deutschen Buddhisten, wenn da die einsichtsvolleren, intelligenteren, aufgeklärteren und erleuchteteren unter ihnen nicht sofort Zeter und Mordio schreiend das missverstandene Kulturreferat vor der talibanösen DBU in Schutz genommen hätten.  Die offenen Briefe kannten die selbsternannten Verteidiger westlicher Werte zwar nicht, lediglich die Presseberichte - als sie in einem Blog mit einschlägiger Diskussion gepostet wurden, wurden sie dann auch folgerichtig umgehend wieder gelöscht. Das war dann natürlich keine Zensur - nur eben halt störende Information. Jedenfalls - man mochte fast glauben, die beiden Briefe der DBU hätten im Allgemeinen die Verfassung ins Wanken gebracht und im Speziellen Meinungs- und Kunstfreiheit ernstlich gefährdet. Fast hätte man sogar den Eindruck gewinnen können, Han Chong sei ein zweiter Fall Salman Rushdie und die beiden Schreiben der DBU eine Fatwa mit Auforderung zur Lynchjustiz.

Okay - reden wir mal über die grundgesetzlich garantierte Freiheit der Kunst (Art. 5 Abs. 3 GG) - auch wenn die DBU in beiden Briefen unmissverständlich erklärt hat, dieses Grundrecht zu respektieren und nicht in Frage zu stellen. Selbstverständlich ist dieses Grundrecht unantastbar. Das Gleiche gilt allerdings auch für die durch Art 4 GG garantierte weltanschaulich-religiöse Neutralität des Staates. Man verkennt schlicht die politischen und rechtlichen Implikationen des 'Falles', auch vor dem Hintergrund der rechtspolitischen Vorstöße kirchennaher Kreise seit dem Kruzifixurteil des BVerfG 1993, eben diese Neutralität durch ein sog. Hierarchisierungsmodell zu untergraben (z.B. Paul Kirchhof). Die DBU würde ihre Hausaufgaben nicht machen, wenn sie auf solche Dinge kein Augenmerk hätte. Das Neutralitätsgebot betrifft selbstverständlich auch kommunale Behörden, insbesondere wenn diese nicht nur im Rahmen von Kunst- und Kulturförderung zugunsten Dritter (Stiftungen, Bibliotheken, Museen usw.) unterstützend tätig werden, sondern wenn sie selbst als verantwortliche Veranstalter und Träger auftreten und dafür öffentliche Gelder ausgeben.

Zur Verdeutlichung: Privatpersonen und juristische Personen des Privatrechts sind TRÄGER von Grundrechten. Niemand in der DBU will in diese eingreifen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts (wie z.B. die Stadt München bzw. deren Kulturreferat) hingegen sind ADRESSATEN der Grundrechte - d.h. sie genießen diese Rechte nicht, sondern sie sind zu ihrer Einhaltung und zu ihrem Schutz verpflichtet. Mit Zensur hat der Protest der DBU nicht das Geringste zu tun. Es ist schlicht unredlich, die DBU, die vom Kulturreferat der Stadt München lediglich weltanschauliche Neutralität - mithin eine rechtskonforme Verwendung der diesem Referat zugeteilten öffentlichen Mittel - fordert, in eine Reihe mit islamischen und christlichen Fundamentalisten zu stellen, die eine religiöse Zensur bzw. strafrechtliche Verfolgung von 'Gotteslästerung' fordern. Das geht völlig an der Sache vorbei.

Entscheidend ist, dass das Kulturreferat München als Auftraggeber der Kuratoren Elmgreen & Dragset Veranstalter und Träger der Kunstaktion 'Made in Dresden' ist - nicht, dass da (tatsächliche oder vermeintliche) Kunstwerke präsentiert werden. Ein Kunstwerk ist in diesem Fall - von einem öffentlich-rechtlichen Träger finanziert und präsentiert - nicht als 'Kunstwerk' per se sakrosankt. Es gibt für Kunstwerke keine Anerkennungskriterien - ob man ein Werk als Kunst einstuft, ist ein reines Geschmacksurteil, mithin subjektiv bestimmt und hier völlig unerheblich. Ob nun ein Kunstwerk (bzw. seine Aussage) religiös/weltanschaulich neutral ist oder nicht, ist hingegen durchaus objektiven Kriterien zugänglich. Ein Kunstwerk, das sich religiöser Symbolik bedient, ist es so gut wie nie - und sei es lediglich aus dem Grund, dass es diese Symbole profaniert. Öffentliches Verwaltungshandeln ist aus gutem Grund an Recht und Gesetz und damit an objektive Kriterien gebunden, nicht an subjektive Geschmacksurteile. Das Kulturreferat hätte sich hier mithin fragen müssen, ob sie mit der Präsentation ihrer Verpflichtung zu weltanschaulicher Neutralität gerecht wird - sie kann sich nicht auf den Standpunkt stellen, dies spiele bei Kunstwerken keine Rolle. Im ersten Fall ist überprüfbar, ob das Kulturreferat sein Ermessen sachgerecht ausgeübt hat (mit solchen Dingen befassen sich Verwaltungsgerichte) - der mehr oder weniger fragwürdige Kunstgeschmack von Kulturbürokraten ist es jedoch ist nicht.

Überhaupt - Kulturbürokraten. Häufig (so jedenfalls meine Erfahrungen) Leute, die künstlerisch impotent sind, aber dafür dann wenigstens ersatzweise Kunstgeschichte studiert haben und nun das Geld anderer Leute ausgeben dürfen. Wer kritisiert, was die einkaufen, ist in deren Augen bloß ein schimmerloser Kunstbanause, den man dann gnädig eines Besseren belehrt. Das ist dann der 'Dialog', den solche Aktionen auslösen sollen. Der dumme, merkbefreite Bürger fragt und wird dann von den professionellen Ästhetikexperten aufgeklärt, woraufhin er beschämt über seine Unkultiviertheit und sein Unwissen in Ehrfurcht vor den Experten zu verstummen hat. Verständlich, dass man bei solcher Arroganz die Bereitschaft und die Fähigkeit von Kritikern, sich mit Kunst auseinanderzusetzen, chronisch ignoriert. Da unterstellt man einfach mangelndes Verständnis bzw. eine 'Scheu' vor Kunst - um nicht gleich zu sagen ein intellektuelles Defizit. Ein Kunstwerk abzulehnen, ist jedoch nicht zwingend der Beweis dafür, dass man es nicht versteht - das genaue Gegenteil kann ebenso gut der Fall sein. Aber okay - setzen wir uns mal hier mit der 'Kunst' auseinander.

Zunächst einmal bedient sich Han Chong des künstlerischen Mittels des Zitates. Zitiert und in einen verfremdenden Kontext gestellt wird hier ein religiöses Symbol. Sonderlich originell ist das ja nun wirklich nicht. Seit Max Ernsts 'Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind' von 1926 ist das sogar schon ziemlich abgestanden, auch wenn es durchaus originelle und gelungene Rückgriffe auf diese Idee gab, beispielsweise Gottfried Helnweins 'Epiphany I' von 1996. Nebenbei bemerkt Kunstwerke, deren Finanzierung den Leiter des Kulturreferates mit ziemlicher Sicherheit den Posten gekostet hätte - um nochmals auf den Aspekt weltanschaulicher Neutralität hinzuweisen. Verglichen mit diesen Werken ist Han Chongs 'Made in Dresden' eher ein spätpubertärer Pennälerstreich - wenn auch nicht ganz so unbedarft wie David Shrigleys 'Bubblesplatz' oder so albern-belanglos wie Kirsten Pieroths 'Berliner Pfütze'. Ich räume gerne ein, dass 'Made in Dresden' noch das gelungenste Werk des 1,2 Millionen € schweren städtischen Kunstprojektes ist - unter Blinden ist der Einäugige König. Diese meine Einschätzung hat gewiss nichts mit Vorurteilen oder Verständnislosigkeit in Bezug auf moderne Kunst zu tun. Ich bin ein großer Bewunderer von Joseph Beuys, den ich 1977 persönlich kennen lernen durfte, und Beuys' Landschaftskunstwerk '7000 Eichen' ist gerade in Bezug auf das in München dem Projekt gesetzte Thema 'Gestaltung/Kultivierung des öffentlichen Raums' eine Arbeit, die da eine Messlatte gelegt hat - so hoch, dass sie für die Kunst-Azubis in München nirgendwo auch nur im Entferntesten in Reichweite kommt. '7000 Eichen' war zwar fast doppelt so teuer wie 'A Space Called Public' - aber dafür auch nicht aus öffentlichen Mitteln, sondern aus privaten Spenden finanziert. Dagegen sehen mir die Werkchen der gesamten hochsubventionierten Elmgreen & Dragset-Clique ziemlich erbärmlich aus. Sorry, wenn ich das so offen sagen muss.

Doch zurück zu 'Made in Dresden'. Es wurde ja geltend gemacht, es gehe nicht um Kritik am Buddhismus, sondern am Buddhismus-Kitsch. Ein religiöses Symbol wird jedoch weder durch die Verfremdung (z.B. Verkitschung) noch durch eine unübliche Kontextualisierung entwertet - es ist und bleibt ein religiöses Symbol mit der ihm eigenen Bedeutung - sonst würde das 'Zitat' ja auch nicht als künstlerisches Mittel funktionieren. Die Unterscheidung etwa zwischen "umgestoßenem Buddha" und "umgestoßenem Buddha-Kitsch" ist mithin völlig irrelevant, sie ignoriert die Metaebene der 'Sprache' des Künstlers (seiner Ausdrucksmittel) und bleibt an der Oberfläche kleben. Auch ein 'verkitscht' dargestellter (was auch immer die Kriterien dafür sein mögen) Buddha nimmt dem Symbol nicht seine Bedeutung - das Symbol verweist unvermindert wenn auch nicht ungebrochen auf Buddharatna, das allen Buddhisten gemeinsame Objekt der Zuflucht. Die Verkitschung ist im Gegenteil eine zusätzliche (zusätzlich zum Kontext "umstoßen") Missachtung des Symbols und damit implizit des damit Symbolisierten..

Was die 'Aussage' dieser Aktion angeht, so wurde in bester Nebelkerzenmanier vom Kulturreferat schlichter Blödsinn behauptet - der dann auch ungeprüft und gutgläubig von Vielen geschluckt und öffentlich im Internet wiederholt wurde. Etwa, dass Dresden ein Zentrum für die Produktion 'nachgemachter' Asiatika sei. Wobei die Frage zu stellen wäre, was hier eigentlich genau 'nachgemacht' bedeuten und was daran verkehrt sein soll. Offensichtlich einfach willkürlich aus der Luft gegriffen - eine Recherche (Branchenbuch, Gelbe Seiten ...) führt allenfalls zu einem kleinen Naturkosmetik-Esoterikshop in Klipphausen. Ich weiß ja nicht, was Sie so alles glauben - ich jedenfalls glaube nicht wirklich, dass die einen großen Teil des europäischen Marktes für Asiatika beliefern. Oder die Mär von der besonders großen asiatischen Gemeinde Dresdens. Auch da habe ich mal genauer hingeschaut - die kommunalen Statistiken weisen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung für Dresden zwar einen geringfügig höheren (aber durchaus nicht ungewöhnlichen) Prozentsatz an Bewohnern asiatischer Herkunft aus als beispielsweise München. In absoluten Zahlen natürlich deutlich weniger. Im nahe gelegenen und etwa gleich großen Leipzig hingegen ist dieser Prozentsatz deutlich höher als in Dresden. Wie vermutet, das ist schlicht dummes und frei erfundenes Gesülze, was den Bürgern da als 'Interpretationshilfe' für 'Made in Dresden' zu schlucken zugemutet wird.

Natürlich macht sich diese Aktion vor allem über den 'Buddhismus' im Esoterik-Wellness-Bereich und über die hierzulande immer beliebter werdenden Feng-Shui-Gartenzwerge lustig. Aber implizit betrifft dies natürlich auch deutsche Buddhisten (nicht nur die in der DBU). Buddhismus in Deutschland ist ein kulturell inkompatibler Fremdkörper. Man beachte den bewusst kontrastierend gewählten Standort Viktualienmarkt (statt beispielsweise der Pagode im Englischen Garten), der den Fremdkörpercharakter betont. Die Figur selbst soll bewusst unauthentisch und talmihaft wirken. Um auch bei den Begriffsstutzigsten noch jeden Zweifel daran zu beseitigen dann noch die Aufschrift 'Made in Dresden' auf der Unterseite. Subtile Ironie geht anders ...

Buddhismus in Deutschland ist unauthentisch und 'nachgemacht', ist billige Kopie, Talmi. Genau das ist die Botschaft von 'Made in Dresden' und ich bezweifle, dass das je anders gemeint war. Daran ändern auch Schutzbehauptungen in der Richtung, so sei das nicht gemeint gewesen, nichts. Ein Kunstwerk sagt das aus, was der Rezipient wahrnimmt. Wenn der Rezipient etwas anderes wahrnimmt, als das, was der Künstler sagen wollte, dann liegt das Problem am Unvermögen des Künstlers, sich auszudrücken, an seinen Defiziten bei der Beherrschung künstlerischer Mittel, und nicht am Rezipienten. Das Problem dem dummen Rezipienten unterschieben zu wollen, also den Popanz des "unverstandenen Künstlers" aufzubauen, ist entweder Feigheit, weil man sich zur Aussage des Werkes nicht bekennen will, oder aber (wenn man der Behauptung, missverstanden zu werden, Glauben schenken will) der Versuch, künstlerische Impotenz zu verschleiern. Daran ändert auch Arnold Gehlens Diktum von der Kommentarbedürftigkeit moderner Kunst nichts - kommentarbedürftig ist Kunst, wenn sie nicht verstanden wird, wenn sie den Rezipienten ratlos lässt. Wenn sie jedoch falsch verstanden wird, dann hat der Künstler versagt, dann hat er etwas falsch gemacht. Er hat nicht das Recht, vom Rezipienten zu fordern, er möge das Werk doch bitteschön so verstehen, wie er es gemeint hat. Wenn der Künstler tatsächlich so dumm ist, sich hier zu beschweren - nun, dann haben wir tatsächlich ein objektives Kriterium, ob wir es mit einem Kunstwerk zu tun haben oder nicht. Wenn es falsch verstanden wird, anders, als es gemeint war, dann ist dies offensichtlich nicht der Fall. Dann ist der selbsternannte 'Künstler' unfähig, sich auszudrücken - mithin kein Künstler.

Das Alles - so umfangreich ich mich dazu geäußert habe - tut hier jedoch nichts zur Sache. Es geht nicht um Kunstkritik. Wie schon geschrieben - Herr Han Chong hat jedes Recht, eine Meinung zu haben und diese auch mit den von ihm gewählten Mitteln der Verfremdung eines religiösen Symbols mehr oder weniger künstlerisch wertvoll auszudrücken. Aber das Kulturreferat München hat nicht das Recht, eine solche Aktion, die sich über die Buddhismusrezeption in Deutschland mit dem Mittel des provozierenden Missbrauchs eines religiösen Symbols lustig macht, zu finanzieren und ihr den Viktualienmarkt als öffentliche Bühne zur Verfügung zu stellen. Dabei ist es unerheblich, wer sich nun provoziert fühlt und wer nicht, ob deutsche Buddhisten, ob Touristen aus Sri Lanka oder Thailand - oder Münchner Bürger gleich welchen religiösen Bekenntnisses, die sich für ihre Stadt schämen müssen. Fakt ist jedenfalls, dass sich Buddhisten provoziert und in ihren religiösen Gefühlen verletzt gefühlt haben (wie es auf Juristendeutsch heißt) und sich in dieser Angelegenheit an die DBU gewandt haben. Aufgabe der DBU war es, die Situation zu prüfen und entsprechend zu agieren - nicht aber, die Beschwerdeführer darüber zu belehren, dass sie sich gefälligst nicht so anstellen sollen - wie einige der 'buddhistischen' Kritiker zu glauben scheinen. Es ist nicht Aufgabe der DBU, ihre Mitglieder zu erziehen oder zu schulen - es ist Aufgabe der DBU, ihnen eine Stimme in der Öffentlichkeit zu verleihen. Die selbstgefällige Arroganz von 'Buddhisten' die meinen, Andere hätten gefälligst ebenso über der Sache zu stehen wie sie selbst, kotzt mich ehrlich gesagt mittlerweile an. Ich persönlich finde 'Made in Dresden' einfach nur dumm, unsensibel und infantil - spreche aber niemandem das Recht ab, hier Person und Lehre Buddhas oder meinetwegen auch sich selbst als Buddhist öffentlich herabgewürdigt oder beleidigt zu sehen. Genauso, wie ich niemandem das Recht abspreche, die Aktion gut und künstlerisch gelungen zu finden. Letzteres rechtfertigt jedoch nicht die Finanzierung aus Steuermitteln.

Man hat der DBU vorgeworfen, hier "aufgeregt" reagiert zu haben. Ein "Aufgeregtsein" - das, so weit es die DBU angeht, eher ein politisches als ein religiöses ist, habe ich jedoch eher bei den (sorry) Klugscheissern wahrgenommen, die meinten, die DBU in die Nähe der Taliban rücken zu müssen. Das regt mich in der Tat auf - wie unschwer an diesem Artikel zu erkennen ist. Es hat zwei offene Briefe gegeben. Mehr "Aufregung" war nicht. Das ist ganz normales Alltagsgeschäft für einen Dachverband religiöser Gemeinschaften.