Zazenyojinki

Dinge, die beim Zazen zu beachten sind

Keizan Jokin Zenji (1268-1325)


Zazen klärt unmittelbar den Geist menschlicher Wesen und lässt ihn in der wahren Essenz verweilen. Dies nennt man sein natürliches Gesicht zeigen und sein wahres Selbst zum Ausdruck bringen. Es ist Freiheit von Körper und Geist und Loslösen von Sitzen und Liegen.

Also denke weder an Gutes noch an Böses. Zazen übersteigt den Nichterleuchteten wie den Weisen, erhebt sich über den Dualismus von Täuschung und Erleuchtung und überwindet die Unterscheidung zwischen den Wesen und Buddha. Durch Zazen befreien wir uns von allen Dingen, geben die Myriaden Beziehungen auf, tun nichts und beenden die Arbeit der sechs Sinnesorgane.

Was tut dies? Wir wissen immer noch nicht seinen Namen. Wir sollten es weder Körper noch Geist nennen. Wenn wir versuchen, es uns vorzustellen, verweigert es sich der Vorstellung. Wenn wir versuchen, es zu beschreiben, verweigert es sich der Beschreibung. Es ist wie der Narr und auch wie der Weise. Es ist hoch wie der Berg und tief wie das Meer - unmöglich, Gipfel oder Grund zu erblicken. Es leuchtet, ohne Objekt [zu sein] und das Weisheitsauge dringt jenseits des Körpers durch; der Körper bringt sich zum Ausdruck und Formen entstehen. Das Kräuseln einer Welle löst zehntausend Wellen aus. Das leichte Zucken des Bewusstseins lässt die zehntausend Dinge aufsprudeln. Die sogenannten vier Elemente und fünf Aggregate verbinden sich, und die vier Glieder und fünf Organe nehmen unmittelbar Form an. Zusätzlich entstehen die sechsunddreißig körperlichen Besitzungen und zwölf gegenseitigen Bedingungen und kreisen in fortlaufender Strömung. Sie durchdringen sich mit Myriaden von Dingen.

Unser Geist ist wie das Wasser des Ozeans, unser Körper wie die Wellen. Wie es ohne das Wasser des Ozeans nicht eine Welle gibt, existiert auch kein Tropfen Wasser ohne Welle. Wasser und Wellen sind nicht verschieden; Tun und Nicht-Tun unterscheiden sich nicht. So wird gesagt: "Obwohl sie leben und sterben, gehen und kommen, sind sie wahre Menschen. Obwohl sie die vier Elemente und die fünf Aggregate besitzen, haben sie den ewigen Körper." Dieses Zazen tritt unmittelbar in den Ozean des Buddha-Geistes ein und manifestiert unmittelbar den Buddha-Körper. Dann tritt der Geist - von Natur aus unübertroffen, klar und hell - plötzlich hervor und das höchste Licht scheint endlich in ganzer Fülle. Die Wasser des Ozeans kennen kein Zunehmen oder Abnehmen, genau so wenig unterliegen die Wellen dem Wechsel. Alle Buddhas erscheinen in dieser Welt, ihre Wolke aufzulösen. Es erreicht ohne Denken strahlt die essentielle Lehre in Schweigen aus. Sitzend im Himmel wie auf der Erde drücken wir unseren Körper in Freiheit aus. Der große Mensch, der Denken abgestreift hat, ist wie einer, der den Großen Tod gestorben ist. Keine Illusionen verzerren seine Sicht; seine Füße rühren keinen Staub auf. Kein Staub irgendwo und nichts hindert ihn.

Reines Wasser hat kein Vorne und Hinten. In einem klaren Himmel gibt es notwendigerweise kein Innen und Außen. Genau wie sie - durchsichtig und klar - scheint Zazen leuchtend durch sich selbst. Form und Leere sind ungeschieden und auch Weisheit und Objekte sind nicht getrennt. Sie sind seit ewigen Zeiten beisammen gewesen und tragen keinen Namen. Der Dritte Patriarch, ein großer Lehrer, nannte es zögerlich "Geist"; der geachtete Nagarjuna nannte es "Körper". Es drückt die Form des Buddha und den Körper der Buddhas aus. Diese Vollmond-Form hat weder Mangel noch Überfluss. Jeder, der selbst-identifiziert mit diesem Geist ist, ist ein Buddha. Das Licht diese Selbst, jetzt und in der Vergangenheit scheinend, gewinnt Gestalt und vollendet den Samadhi der Buddhas.

Notwendig ist der Geist Nicht-Zwei; der Körper nimmt durch Kausalität verschiedene Gestalten an. Nur-Geist und Nur-Körper können nicht als verschieden oder gleich erklärt werden. Der Geist verändert sich und wird zum Kernproblem, indem er allen Wesen direkten Zugang zu Buddhas Weisheit gibt. Es lehrt einen wundervollen Weg von Stille und Loslösung – Zazen. Es ist tatsächlich die selbstbeglückende Meditation der Buddhas. Es ist der König der Meditationen. In dieser Meditation auch nur einen Moment zu verweilen wird deine Täuschungen hinwegfegen. Das, wir wissen es, ist das wahre Tor zur Lehre Buddhas. 

Jene, die ihren Geist klären wollen, müssen verwickelte Intellektualisierungen aufgeben, der Welt und dem Buddhismus entsagen und den Buddha-Geist erscheinen lassen. Dann wird sich die Wolke der Täuschung erheben und der Mond des Geistes von neuem scheinen.

Buddha soll gesagt haben, dass von der Buddha-Lehre hören und darüber nachdenken ist, als stünde außen man vor dem Tor, aber Zazen ist wahres Heimkehren und müheloses Niedersetzen. Dies ist wahr. Beim Hören und beim Nachdenken über den Buddhismus herrschen Meinungen vor. Der Geist bleibt verwirrt, es ist wirklich, als stünde man außen vor dem Tor. Doch beim Zazen verschwinden alle Dinge; es ist nicht durch den Ort bedingt. Es ist wie Heimkehren und müheloses Niedersetzen.

Die Täuschung durch die fünf Hindernisse entsteht aus Unwissenheit. Unwissenheit rührt daher, das Selbst nicht zu kennen - das Selbst, das uns Zazen kennenzulernen ermöglicht. Selbst wenn wir die fünf Hindernisse abschneiden, bleiben wir immer noch außerhalb der Sphäre der Buddhas und Patriarchen, bis wir auch uns selbst von Unwissenheit befreien. Und die effektivste Art, dies zu tun, ist Zazen. Ein alter Weiser hat gesagt: “Wenn Täuschungen verschwinden, tritt Stille hervor. Wenn Stille hervortritt, erhebt sich Weisheit. Wenn sich Weisheit erhebt, gibt es wahres Verstehen."
Um täuschende Gedanken loszuwerden, müssen wir aufhören, über Gut und Schlecht nachzudenken. Wir müssen alle Verbindungen abschneiden, alles wegwerfen, an nichts denken und nichts mit unserem Körper tun. Dies ist die erste Maßnahme. Wenn täuschende Verbindungen verschwinden, verschwinden täuschende Gedanken. Wenn täuschende Gedanken verschwinden, tritt die Wirklichkeit hervor, die uns klare Einsicht in alle Dinge gibt. Es ist nicht Passivität, noch ist es Aktivität.

Befreie dich selbst von allen diesen Kleinigkeiten wie Kunst, Technik, Medizin und Schicksalserforschung. Halte dich fern von Gesang, Tanz, Musik, geräuschvollem Geschwätz, Klatsch, öffentlichem Auftreten und Profitstreben. Auch wenn das Schreiben von Versen und Dichten beim Beruhigen des Geistes helfen kann, so lass dich nicht  zu sehr davon fesseln. Gib auch Schreiben und Kalligraphie auf.

Dieser Rat repräsentiert das höchste Erbe der Wegsucher der Vergangenheit. Er umreisst die Vorkehrungen, deinen Geist in Harmonie zu bringen.

Vermeide auch sowohl schöne Roben als auch befleckte Kleidung. Eine schöne Robe lässt Verlangen erstehen, und da gibt es auch die Gefahr des Diebstahls. Daher behindert sie den Wahrheitssucher. Wenn dir jemand eine kostbare Robe anbieten sollte, lehne sie ab. Dies ist seit langem würdige Tradition gewesen. Wenn du eine solche Robe noch von früher hast, setze ihren Wert herab. Und wenn jemand sie stiehlt, grüble nicht über deinen Verlust.

Trage alte Kleider, aber flicke etwaige Löcher und wasche jeden Fleck oder Öl heraus. Wenn du den Schmutz nicht entfernst, vergrößert sich die Möglichkeit zu erkranken, und dies würde deine Übung behindern.

Mangel an Kleidern, Mangel an Nahrung und Mangel an Schlaf - dies sind die drei Mängel. Sie werden zu einer Quelle der Trägheit. Beim Essen vermeide alles Unreife, Unverdauliche, Verdorbene oder Unreine. Solche Nahrung wird deinen Magen rumpeln lassen und deinen Körper und Geist schwächen. Du wirst damit lediglich dein Unbehagen während des Zazen vergrößern. Und stopfe dich nicht mit Delikatessen voll. Solche Fresserei wird nicht nur deine Wachsamkeit verringern sondern auch jedem zeigen, dass du dich noch nicht von Gier befreit hast. Nahrung existiert nur, um Leben zu erhalten; klammere dich nicht an ihren Geschmack. Wenn du mit vollem Magen Zazen übst, erschaffst du die Ursache von  Übelkeit. Vermeide Zazen unmittelbar nach dem Frühstück oder Mittagessen; es ist besser, eine Weile zu warten.
Grundsätzlich überwachen Mönche die Menge der Nahrung, die sie zu sich nehmen. Ihre Nahrungsaufnahme überwachen heisst, die Menge zu beschränken: Iss zwei Drittel und lass ein Drittel übrig. Um dich auf Zazen vorzubereiten, nimm Medizin gegen Erkältungen, Sesamsamen und Bergkartoffeln zu dir. Wenn du tatsächlich Zazen ausübst, lehne dich nicht gegen Wände, Stuhlrücken oder Wandschirme. Halte dich von hochgelegenen Plätzen mit starken Winden fern, auch wenn sie eine gute Aussicht bieten. Das wäre eine gute Methode, krank zu werden.

Wenn dein Körper fiebert oder kalt ist, träge oder überaktiv, hart oder weich, schwer oder leicht, dann atmest du womöglich nicht richtig. Überprüfe deinen Atem auch, wenn dein Körper übermäßig erregbar ist. Du musst sicherstellen, dass du die ganze Zeit während des Zazen harmonisch atmest.

Benutze diese Methode, um den Atem zu harmonisieren: öffne für eine Weile deinen Mund, und wenn ein langer Atemzug kommt, atme lang; wenn ein kurzer Atemzug kommt, atme kurz. Harmonisiere allmählich deinen Atem und folge ihm auf natürliche Weise. Wenn die Zeitabstände leicht und natürlich werden, verlagere dein Atmen still zur Nase. Wenn Atem und Geist nicht übereinstimmen, treten bestimmte Symptome auf. Dein Geist sinkt ab oder steigt auf, wird undeutlich oder scharf, wandert außen im Raum oder innerhalb des Körpers herum, sieht Abbilder von Buddha oder von Bodhisattvas, gebiert verdorbene Gedanken oder versucht, die Lehren der Sutren zu verstehen. Wenn diese Symptome bei dir auftreten, heisst das, dass dein Geist und dein Atem nicht in Harmonie sind. Wenn du diese Probleme hast, lass deinen Geist zu beiden Fußsohlen sinken. Wenn der Geist sinkt, richte ihn auf den Haaransatz und zwischen die Augenbrauen. Wenn dein Geist aufgerührt ist, lass ihn auf der Nasenspitze oder im Solarplexus ruhen. Bei gewöhnlichem Zazen lege deinen Geist in deine linke Handfläche. Bei verlängertem Sitzen bleibt der Geist auch ohne dies auf natürliche Weise ungestört. Die alte Lehre legte Gewicht auf die Erleuchtung des Geistes, aber schenke dem nicht zu viel Beachtung.

Jedes Zuviel führt zu einem gestörten Geist. Alles, was Körper und Geist belastet, wird zu einer Quelle von Krankheit. Also praktiziere kein Zazen, wenn die Gefahr von Feuer, Flut, Sturm oder räuberischen Überfällen besteht. Halte dich von der Meeresküste fern, von Schenken und Rotlichtbezirken, den Häusern von Witwen und Jungfrauen und Theatern. Vermeide, in der Nähe von Königen, Ministern und hohen Würdenträgern zu leben oder in der Nähe von Schwätzern oder Ruhm- und Profitsüchtigen.

Tempelrituale und -gebäude haben ihren Wert. Wenn du dich aber auf Zazen konzentrierst, vermeide sie. Hafte nicht an Predigten und Anweisungen, denn sie tendieren dazu, deinen Geist zu zerstreuen und zu stören. Suche kein gefallen darin, Menschenmassen anzuziehen oder Schüler zu sammeln. Scheue die Vielfalt bei Praxis und Studium. Übe kein Zazen an Orten, die zu hell oder zu dunkel, zu kalt oder zu heiss sind oder zu nahe bei Vergnügungssüchtigen und Unterhaltern sind. Du solltest in der Meditationshalle üben, zu Zen-Meistern gehen oder dich in hohe Berge und tiefe Täler begeben. Grünes Wasser und blaue Berge – das sind gute Orte zum Umherschweifen. Neben Bächen und unter Bäumen – diese Plätze beruhigen den Geist. Denke daran, dass alle Dinge unbeständig sind. So wirst du sehen, dass alle Dinge unbeständig sind. So wirst du etwas Ermutigung in deiner Suche nach dem Weg finden.

Es sollte eine dicke Matte ausgebreitet werden: Zazen ist der mühelose Weg. Die Meditationshalle sollte sauber sein. Wenn ständig Räucherwerk brennt und Blumen geopfert werden, werfen die schützenden Götter  und Bodhisattvas ihren Schatten und stehen Wache. Wenn du dort die Bilder der Buddhas, Bodhisattvas und Arhats aufstellst, sind alle Teufel und Hexen machtlos.

Immer in großem Mitgefühl verweilend solltest du die grenzenlosen Verdienste von Zazen allen Wesen anbieten. Lass keinen Stolz, Geltungsbedürfnis und Arroganz sich erheben; dies sind Eigenschaften der Ketzer und Unerleuchteten. Gelobe, Begehren abzuschneiden; gelobe, Erleuchtung zu erlangen. Übe einfach Zazen und nichts sonst. Dies ist die Grundbedingung für Zazen.

Bevor du Zazen ausübst, wasche immer deine Augen und Füße und bringe deinen Körper und Geist zur Ruhe. Bewege dich mit Leichtigkeit. Trenne dich von weltlichen Gefühlen, das Verlangen nach dem Dharma eingeschlossen. Obwohl du die Lehre niemandem missgönnen sollst, predige sie nur, wenn du darum gebeten wirst. Gib die vier Auswirkungen (hinweisen, unterweisen, Nutzen ziehen, sich erfreuen) nach drei Aufforderungen. Wenn dir nach reden zumute ist, bleibe in neun von zehn Fällen still wie Schimmel, der um den Mund wächst und ein Fächer im Dezember oder wie eine im Himmel hängende Glocke, die natürlich ohne zu zögern mit den vier Windrichtungen läutet.

Für den Lernenden ist dies die Hauptsache, die zu beachten ist: die Lehre besitzen, aber sie nicht billig verkaufen. Erleuchtung erlangen, doch nicht stolz darauf sein. Dieses Zazen hängt sich nicht einseitig an Lehre, Übung oder Erleuchtung. Es vereint all diese Tugenden. Erleuchtung bedeutet gewöhnlich Satori, aber das ist nicht der Geist von Zazen. Übung bedeutet gewöhnlich tatsächliches Praktizieren, aber das ist nicht der Geist von Zazen. Lehre meint gewöhnlich, Übles zu beenden und Gutes zu tun, aber  das ist nicht der Geist von Zazen.

Auch wenn Zen Lehren hat, so unterscheiden sie sich doch von denen des Buddhismus im Allgemeinen. Die Methode des direkten Zeigens und wahrer Übertragung wird im Zazen durch den ganzen Körper ausgedrückt. In diesem Ausdruck gibt es keine Neben- und Hauptsätze. Hier, wohin Geist und Logik nicht reichen, drückt Zazen die zehn Himmelsrichtungen aus. Und dies wird getan, ohne ein einziges Wort zu benutzen. Ist dies nicht die wahre Lehre der Buddhas und Patriarchen? 

Auch wenn Zen von Übung spricht, so ist es doch die Übung des Nicht-Handelns. Der Körper tut nichts außer Zazen. Der Mund spricht nicht das Dharani aus, der Geist arbeitet nicht mit begrifflichem Denken; die sechs Sinnesorgane sind natürlich rein und ohne Befleckung. Dies sind nicht die sechzehn Sichten (der vier edlen Wahrheiten) des Sravaka oder die zwölf ursächlichen Zusammenhänge des Pratyekabuddha oder die sechs transzendenten Vollkommenheiten und anderen Übungen der Bodhisattvas. Nichts wird getan außer Zazen, und diese Zazen wird die Handlungsweise Buddhas genannt. Der Lernende verweilt nur mühelos in der selbst-erfreuenden Meditation der Buddhas und vollzieht frei die vier mühelosen Handelsweisen der Bodhisattvas. Dies ist dann die tiefe und wundervolle Übung der Buddhas und Patriarchen.

Auch wenn wir von Erleuchtung sprechen, wir werden ohne Erleuchtung erleuchtet. Dies ist die Krone des Samadhi. Dies ist das Samadhi, das Buddhas ewige Weisheit erstehen lässt. Es ist das Samadhi, aus dem alle Weisheit hervorgeht. Es ist das Samadhi, das natürliche Weisheit erstehen lässt. Es ist das klare Tor, das sich zum Mitgefühl des Tathagata öffnet. Es ist der Ort, der die Lehre der großen mühelosen Handlungsweise (Zazen) entstehen lässt – es übersteigt die Unterscheidung zwischen Weisem und Gewöhnlichem; es ist jenseits dualistischen Urteilens, das Täuschung und Erleuchtung voneinander trennt. Ist nicht dies die Erleuchtung, die Ausdruck des ursprünglichen Gesichtes ist?

Obwohl Zazen nicht an Tugend, Meditation und Weisheit hängt, so schließt es doch ein. Sogenannte Tugend schütz einen vor Falschem und beendet Übel. Doch in Zazen sehen wir den Körper ohne Zweiheit. Wir geben alle Dinge auf und beenden verschiedene Beziehungen; wir klammern uns nicht an den Dharma oder weltliche Angelegenheiten; wir geben religiöse Gefühle und weltliche Gedanken preis. Es gibt weder richtig und falsch noch gut und schlecht. Was gibt es da zu unterdrücken und anzuhalten? Dies ist die formlose Tugend der Buddhanatur. Üblicherweise bedeutet Zazen den Geist konzentrieren und belanglose Gedanken beseitigen. Doch in diesem Zazen befreien wir uns selbst von dem Dualismus von Körper und Geist und von Täuschung und Erleuchtung. Weder Körper noch Geist verändern sich, bewegen sich, handeln oder sind beunruhigt.

Wie ein Fels, ein Pfahl, ein Berg, ein Ozean; die beiden Formen von Bewegung und Ruhe entstehen nicht. Dies ist Meditation ohne die Form von Meditation. Da es keine Form der Meditation gibt, wird es bloße Meditation genannt. Doch in diesem Zazen zerstören wir auf natürliche Weise das Hindernis des Wissens (Unwissenheit), vergessen die täuschenden Aktivitäten des Geistes; unser gesamter Körper wird zum Weisheitsauge; da gibt es kein Unterscheiden und Erkennen. Wir sehen klar die Buddha-Natur und sind von Natur aus nicht getäuscht. Wir schneiden die täuschende Wurzel des Geistes ab und plötzlich leuchtet das Licht des Buddhageistes durch.

Dies ist Weisheit ohne die Form von Weisheit. Weil es Weisheit ohne Form ist, wird es Große Weisheit genannt. Die Lehre Buddhas und die Predigten Shakyamunis (zu seinen Lebzeiten) sind alle inbegriffen in Tugend, Meditation und Weisheit. In diesem Zazen besitzen wir alle Tugenden, üben alle Meditationen und dringen zu Weisheit durch. Die Dämonen unterdrücken, Erleuchtung, das Rad der Lehre drehen und Rückkehr zur Spurlosigkeit – alles hängt von dieser Kraft ab. Überlegene Arbeit und belehrende Predigt, alles ist in Zazen enthalten. Auch das Gespräch mit dem Zen-Meister ist Zazen.

Wenn du Zazen praktizieren willst, musst du zuerst einen ruhigen Ort finden. Du solltest auf einem dicken Kissen sitzen. Erlaube weder Rauch noch Wind den Eintritt. Halte Regen und Tau fern. Kümmere dich um deinen Sitzplatz und halte ihn sauber. Buddha saß auf einem Diamantsitz und die Patriarchen saßen auf riesigen Felsen, doch in jedem Fall benutzten sie Sitzkissen. Der Sitzplatz sollte weder tagsüber zu hell  oder in der Nacht zu dunkel sein. Er sollte warm im Winter und kühl im Sommer sein. Dies sind Vorkehrungen, den Platz betreffend. Stelle die Funktion des Geistes ein, beende dualistisches Denken und habe nicht die Absicht, ein Buddha zu werden. Denke nicht über richtig und falsch nach. Vergeude keine Zeit sondern übe, wie du einen Brand in deinen Haaren löschen würdest.

Buddha unter seinem Bodhi-Baum und Bodhidharma, als er die Wand anstarrte, konzentrierten sich nur auf Zazen und taten nichts anderes. Sekiso (Shih-shuang Ch'ing-chu) (807-888) saß wie ein verdorrter Baum. Nyojo (Ju-tsing) (1163-1228) warnte davor, während des Zazen einzunicken. Nyojo sagte immer, dass du zum ersten Mal einfach durch Sitzen dein Ziel erreichen kannst - ohne Räucherwerk zu verbrennen, ohne Niederwerfungen, ohne Nembutsu zu rezitieren, Askese zu üben, das Sutra zu singen oder andere religiöse Pflichten zu erfüllen. Im allgemeinen solltest du beim Zazen eine Kesa tragen; das darfst du nicht übergehen. Du solltest nicht vollständig auf dem Kissen sitzen; es sollte zur Hälfte zurück unter das Rückgrat geschoben werden. Dies ist die Art des Sitzens der Buddhas und Patriarchen. Manche meditieren im Lotossitz und andere im halben Lotossitz. Im Lotossitz musst du den rechten Fuß auf den linken Oberschenkel legen und den linken Fuß auf deinen rechten Oberschenkel. Trage deine Robe lose aber geordnet.

Als nächstes lass deine rechte Hand auf deinem linken Fuß ruhen und deine linke Hand auf deiner rechten Handfläche. Bringe deine Hände nahe an den Körper, wobei sich die Daumen berühren. Bringe sie in die nähe deines Bauchnabels. Sitze aufrecht und neige dich weder nach links noch nach rechts. Genau so wenig solltest du dich nach vorne oder hinten neigen. Achte auf die Position deines Bauchnabels. Lege deine Zunge an den Gaumen und atme durch die Nase. Halte Lippen und Zähne fest geschlossen. Du solltest deine Augen offen halten. Öffne sie nicht zu weit und schließe sie nicht zu sehr. Nachdem du dich bequem hingesetzt hast, atme scharf ein. Um dies zu tun, öffnest du deinen Mund und atmest ein- oder zweimal aus.

Nachdem du sitzt, solltest du deinen Körper sieben oder acht mal von links nach rechts bewegen und dabei von großen Bewegungen zu kleineren übergehen. Dann solltest du wie ein unbeweglicher Berg sitzen. Versuche, in dieser Haltung das Undenkbare zu denken. Wie denkst du das Undenkbare? Indem du jenseits von Denken und Nicht-Denken gehst. Das ist der Schlüssel zu Zazen. Du solltet unmittelbar deine Täuschungen abschneiden und plötzlich den Weg erleuchten.

Wenn du vom Zazen aufstehen möchtest, lege deine Hände mit den Handflächen nach oben auf die Oberschenkel und bewege deinen Körper sieben oder acht mal von links nach rechts, wobei die Bewegungen allmählich größer werden. Dann öffne deinen Mund und atme ein, gehe mit den Händen auf den Boden, erhebe dich sanft vom Kissen und gehe still herum. Wende deinen Körper rechts um und gehe nach rechts. Wenn du dich während des Zazen schläfrig fühlst, solltest du deinen Körper bewegen und die Augen weit öffnen. Konzentriere deinen Geist auf deinen Scheitel, den Haaransatz oder zwischen deine Augenbrauen. Wenn dies dich nicht vollständig wach macht, strecke deine Hand aus und reibe deine Augen oder massiere deinen Körper. Wenn selbst das dich nicht aufweckt, stehe von deinem Sitz auf und gehe leicht herum. Du solltest dabei rechts herum gehen. Wenn du auf diese Art etwa hundert Schritte gehst, wird deine Schläfrigkeit vergehen. Die Methode des Gehens ist, bei jedem kurzen Schritt (ungefähr die Hälfte einer durchschnittlichen Schrittlänge) einen Atemzug zu nehmen. Es sollte still getan werden; Bewegung, ohne sich zu bewegen. Wenn selbst dies dich nicht wach macht, wasche deine Augen und kühle deinen Kopf. Oder lies die Einführung zu den Bodhisattva-Gelübden. Durch diese verschiedenen Mittel solltest du Schlaf vermeiden können.

Das Wichtigste ist, das Problem von Geburt und Tod zu überwinden. Obwohl dieses Leben rasch voranschreitet, ist das Auge, den Weg zu sehen, nicht geöffnet. Wir müssen einsehen, dass dies nicht die Zeit ist, um zu schlafen. Wenn du dabei bist, in den Schlaf zu verfallen, solltest du diesen Schwur ablegen: "Meine durch früheres Handeln angewöhnten Leidenschaften sind schon tief verwurzelt, dadurch habe ich mir bereits das Hindernis des Schlafs eingehandelt. Wann werde ich aus der Dunkelheit erwachen? Ihr Buddhas und Patriarchen, ich such Entkommen aus dem Leid durch euer großes Mitgefühl".
Ist dein Geist beunruhigt, lass ihn auf der Nasenspitze ruhen oder unter dem Bauchnabel und zähle dein Aus- und Einatmen. Ist dein Geist immer noch nicht ruhig, nimm ein Koan und konzentriere dich darauf. Zum Beispiel untersuche den Nicht-Geschmack dieser Geschichten: "Was ist es, das so kommt?" (Hui-Neng); "Hat ein Hund Buddha-Natur?" (Chao-Chou); Yün-Mens Berg Meru und Chao-Chous Zypresse im Garten. Dies sind mögliche Anwendungen. Ist dein Geist immer noch beunruhigt, sitze und konzentriere dich auf den Moment, an dem dein Atem aufgehört hat und beide Augen für immer geschlossen wurden oder auf den ungeborenen Zustand im Bauche deiner Mutter oder bevor noch ein einziger Gedanke entsteht. Wenn du dies tust, tritt die zweifache Leerheit (Ich und Nicht-Ich) zu Tage und der beunruhigte Geist kommt zur Ruhe.

Wenn du dich von der Meditation erhebst und nicht-bewusst handelst, ist dieses Handeln selbst ein Koan. Wenn du Praxis und Erleuchtung bewältigst, manifestiert das Koan sich selbst, ohne in Beziehungen einzutreten. Der Zustand, bevor Himmel und Erde geschaffen wurden, Bedingungen leerer Äonen und wunderbare Wirkungsweisen und die überaus wichtigen Angelegenheiten der Buddhas und Patriarchen - all dies ist Eines, Zazen. 

Wir müssen aufhören, dualistisch zu denken und unserem verblendeten Geist ein Ende setzen, unsere Leidenschaften abkühlen, Augenblick und Ewigkeit überwinden, unseren Geist wie kalte Asche und verdorrte Bäume werden lassen, wie ein Räuchergefäß in einem alten Schrein Meditation und Weisheit vereinen und Körper und Geist reinigen wie einen einzigen weißen Strang. Ich hoffe aufrichtig, dass du all dies tun wirst.