Sankon Zazen Setsu

Eine Theorie des Zazen für drei Arten von Personen
 
Keizan Jokin


Die Person, die das Zazen der höchsten Art ausübt, beschäftigt sich nicht mit der Frage, wie Erleuchtete in dieser Welt erscheinen. Sie denkt nicht über die Vollkommenheit nach, die selbst die Buddhas und Patriarchen nicht übertragen können. Ist sie hungrig, isst sie; ist sie müde, schläft sie. Sie haftet nicht an der Sicht, alle Erscheinungen seien das Selbst. Sie steht über Erleuchtung wie über Täuschung. Natürlich und wirksam, übt sie einfach wahres Zazen aus. Selbst, wenn Unterscheidungen entstünden, ließe sich diese Person nicht davon versklaven, da die zehntausend Dinge nicht betrachtet werden, als seien sie voneinander getrennt.

Die Person, die das Zazen der mittleren Art ausübt, entsagt den zehntausend Dingen und kappt alle Bindungen. Der Tag hat keinen müßigen Moment, jedes Ein- und Ausatmen ist Ausüben des Dharma; oder aber sie schaut auf die eigene Nasenspitze, in Konzentration auf ein Koan. Ihr ursprüngliches Gesicht ist nicht gezeichnet von Leben und Tod, von Kommen und Gehen. Der unterscheidende Geist kann nicht die tiefste ewige Wahrheit, die Buddhanatur, erfassen. Ohne trennendes Denken ist sie nicht unerleuchtet. Von fernster Vergangenheit bis zu eben diesem Moment strahlt Weisheit klar und leuchtend. Von ihrer Braue werden mit einem Moment die zehn Richtungen der Welt erleuchtet; ihr Körper manifestiert sich in allen einzelnen Erscheinungen.

Die Person, die gewöhnliches Zazen ausübt, erwägt die zehntausend Bindungen und durchbricht günstige und ungünstige Bedingungen. Der Geist ist Ausdruck der grundlegenden Natur aller Buddhas; Buddha steht an dem Ort, wo ihre Füße sind und so entsteht kein falsches Handeln. Die Hände formen das Wirklichkeits-Mudra, sie halten kein Sutra. Der Mund ist fest geschlossen, die Lippen versiegelt. Nicht ein Wort der Lehre wird gepredigt. Die Augen sind geöffnet, weder weit noch wenig. Die zehntausend Dinge werden nicht geschieden; gute und schlechte Worte bleiben ungehört. Die Nase unterscheidet nicht Geruch von Gestank. Der Körper stützt sich auf nichts. Abrupt endet alles täuschende Tun. Da keine Täuschung den Geist aufrührt, erscheinen weder Sorge noch Freude. Wie bei einem aus Holz geschnitzten Buddha harmonieren Substanz und Form natürlich mit dem Wahren. Auch wenn weltliche Gedanken aufsteigen, ergreifen sie nicht Besitz, denn der Geist ist ein blanker Spiegel ohne die Spur eines Schattens. Die fünf Gelöbnisse, die acht Gelöbnisse, die Bodhisattva-Gelöbnisse, die Gelübde der Mönche, die dreitausend Verhaltensregeln, die achzigtausend Lehren, der höchste Dharma der Buddhas und erwachten Patriarchen – all diese entstehen ungehindert aus dem Zazen. Keine Übung kann sich mit ihm messen.

Wäre auch nur ein Verdienst durch die Übung des Zazen zu gewinnen, es wäre größer als die Errichtung von hundert, von tausend, von zahllosen Stätten der Übung. Übt unablässig Shikantaza, einfach Sitzen. In diesem Tun werden wir von Geburt und Tod befreit und verwirklichen unsere verborgene Buddhanatur. Geht, steht, sitzt und liegt in vollkommener, natürlicher Leichtigkeit. Sehen, Hören, Verstehen und Wissen sind alle das Licht der ursprünglichen Natur. Ob Anfang oder Reife - Geist ist Geist, jenseits aller Erörterungen von Wissen und Unwissen.

Übt einfach Zazen mit ganzem Herzen. Weicht nicht ab davon und verliert es nicht.