Mittwoch, 13. Januar 2010

Papa Woytila revisited

Anlässlich einer Diskussion über die Anerkennung nichtchristlicher Religionen bzw. deren Wertschätzung durch die katholische Kirche hatte ich sie mal wieder hervorgekramt - die Enzyklika Redemptoris Missio ("Die Mission des Erlösers" ) vom 7. Dezember 1990. Ein bemerkenswerter Text - vor allem jenen ans Herz zu legen, die sich im interreligiösen Dialog engagieren bzw. sich dafür interessieren. Da sich die Enzyklika nicht gerade durch eine knappe, prägnante Formulierung auszeichnet, erlaube ich mir, hier ein paar Kernsätze zu zitieren. Auf die Gefahr hin, dass dem einen oder anderen diese Zitate als aus dem Zusammenhang gerissen und entstellend erscheinen. Der vollständige Text ist z.B. hier zu finden:
http://www.missio.at/fileadmin/media_data/downloads/themen/redemptoris_missio.pdf

"Christus ist der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen. [...] Die Menschen können demnach mit Gott nicht in Verbindung kommen, wenn es nicht durch Jesus Christus unter Mitwirkung des Geistes geschieht. [...] Andere Mittlertätigkeiten verschiedener Art und Ordnung, die an seiner Mittlerschaft teilhaben, werden nicht ausgeschlossen, aber sie haben doch nur Bedeutung und Wert allein in Verbindung mit der Mittlerschaft Christi und können nicht als gleichrangig und notwendiger Zusatz betrachtet werden. [...]

Der interreligiöse Dialog ist Teil der Sendung der Kirche zur Verkündigung des Evangeliums. [...] In Christus ruft Gott alle Völker zu sich [...]. Er macht sich auf vielfältige Weise gegenwärtig, nicht nur dem einzelnen, sondern auch den Völkern im Reichtum ihrer Spiritualität, die in den Religionen ihren vorzüglichen und wesentlichen Ausdruck findet, auch wenn sie "Lücken, Unzulänglichkeiten und Irrtümer" enthalten. Das Konzil und die folgenden lehramtlichen Äußerungen haben all das ausführlich unterstrichen und dabei immer daran festgehalten, daß das Heil und die Fülle der Offenbarung von Christus kommt und der Dialog nicht von der Verkündigung des Evangeliums enthebt. [...]

Ich habe jüngst den Bischöfen Asiens geschrieben "Wenn auch die Kirche gerne alles anerkennt, was in den religiösen Traditionen des Buddhismus, des Hinduismus und des Islam wahr und heilig ist [...] so mindert dies doch nicht ihre Pflicht und Entschlossenheit, ohne Zögern Jesus Christus zu verkünden [...]. Die Tatsache, daß die Anhänger anderer Religionen auch außerhalb der normalen Wege, die Christus festgelegt hat, die Gnade Gottes empfangen und durch Christus erlöst werden können, nimmt den Aufruf zum Glauben und zur Taufe nicht zurück, die Gott für alle Völker will. [...] Der Dialog muß geführt und realisiert werden in der Überzeugung, daß die Kirche der eigentliche Weg des Heiles ist und daß sie allein im Besitz der Fülle der Heilsmittel ist."


Die Enzyklika ist für Angehörige nichtchristlicher Religionen aus meiner Sicht weniger wegen der arrogant-herablassenden 'Anerkennung' von Interesse, sondern vor allem deswegen, weil sie unmissverständlich deutlich macht, was "interreligiöser Dialog" in den Augen des Vatikan eigentlich ist und wozu er dient - er ist Fortsetzung der Missionierung mit anderen Mitteln. Glücklicherweise sehen nicht alle Christen, die vor Ort tatsächlich diesen Dialog ganz konkret führen, das auch so.

Interreligiöser Dialog kann eine durchaus sinnvolle Sache sein, wenn er vernünftig gestaltet wird. Unter 'vernünftiger Gestaltung' verstehe ich dabei, dass man Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede feststellt und definiert. So kann ein solcher Dialog zum besseren Verständnis nicht nur der anderen, sondern auch der eigenen Religion beitragen; im Gegenüber gewinnen die Religionen Kontrast und Konturen. Wer meint, es ginge darum, aus falsch verstandenem Harmoniebedürfnis einen mehrheitsfähigen eklektischen Religionsbrei zusammenzurühren, hat das Anliegen des interreligiösen Dialogs nicht verstanden. Insofern liege ich mit meiner persönlichen Auffassung von Dialog durchaus auf der Linie dieser Enzyklika. Fundamentalisten unter sich ...

Eine Grundvoraussetzung eines solchen Dialoges ist es jedenfalls, dass die Beteiligten mit der Doktrin der eigenen Religion vertraut sind und damit im Dialog eine klare Position beziehen können. Ein westlicher 'Buddhist', der z.B. auf den lieben Gott ob mit oder ohne Sohn samt heiligem Geist und unsterblicher Seele nicht verzichten mag, hat alles Recht dazu und er hat Anspruch auf Respekt und Toleranz. Aber er hat nicht den Anspruch darauf, es im Dialog als buddhistische Position auszugeben, wenn er sich aus dem Dharma die ihm zusagenden Brocken herauspickt und das Ganze womöglich mit anagogischer Bibelexegese garniert. Ich will damit nichts über den 'Wert' der Privatreligionen solcher 'Grenzgänger' sagen. Sollen sie damit glücklich werden – das ist mein aufrichtiger Wunsch. Ich habe nichts dagegen, wenn jemand sagt 'so geht's auch'. Wenn ich dagegen sage 'möglicherweise, aber der Dharma ist das nicht', dann erwarte ich den gleichen Respekt. Mit Intoleranz hat das nicht das Geringste zu tun. Der Dharma ist nun einmal keine 'anything goes' – Angelegenheit.

Eine weitere Voraussetzung interreligiösen Dialoges ist die Bereitschaft, etwas über die Religion des Dialogpartners zu lernen. Das muss nicht heißen, dass man dessen Positionen übernimmt, aber doch, dass man sich bemüht, sie zu verstehen. Dabei ist es hilfreich, wenn man wenigstens in Grundzügen mit der Dogmatik der jeweils anderen Religion vertraut ist. Dies bedeutet auch, dass man sich der anderen Religion vom Grundsatz her fragend nähert – nicht mit Vorurteilen. Jemand, der eine andere Religion a priori "nicht als gleichrangig" abqualifiziert, als "Lücken, Unzulänglichkeiten und Irrtümer" enthaltend, der disqualifiziert sich damit selbst für einen Dialog. Er will ihn offensichtlich auch gar nicht. Ihm geht es nicht um das Voneinander-Lernen, sondern um Polemik, wenn nicht gar Diffamierung. Dass gerade diese Art des Umgangs mit anderen Religionen bei den Christen eine lange und offensichtlich noch immer nicht ganz überwundene Tradition hat, wirft zwangsläufig die Frage auf, wie ernst es den christlichen Kirchen - insbesondere der katholischen - denn tatsächlich mit dem interreligiösen Dialog ist.

Ein interreligiöser Dialog kann nur auf der Grundlage gegenseitigen Respekts funktionieren. Das besagt zunächst einmal, dass jeder der Teilnehmer von der Grundannahme auszugehen hat, der Gesprächspartner KÖNNTE recht haben. Erst dann nimmt man den Gesprächspartner ernst, erst dann kann der Dialog auf gleicher Augenhöhe stattfinden. Auf einer solchen Ebene kann man dann über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der jeweiligen Sicht sprechen und so voneinander und übereinander lernen. Eine solche Basis zu schaffen ist allerdings bei Religionen, deren Anhänger häufig den Anspruch erheben, die absolute Wahrheit für sich gepachtet zu haben, naturgemäß manchmal etwas schwierig und manchmal auch schlicht unmöglich

Ich habe größte Hochachtung vor einem konsequent gegangenen christlichen Weg und vor denen, die ihn gehen. Das Christentum selbst hat eine faszinierende Art, spirituelle Wahrheiten in einer Symbolsprache auszudrücken. Es ist allerdings eine Religion, die ich persönlich wie ein Kunstwerk betrachte - eine Religion, die mich ästhetisch anspricht. Natürlich auch die damit verbundenen Ausdrucksformen, sei es die Musik J.S. Bachs, sei es romanische Architektur usw. Ich kann die christliche Lehre nicht als Heilsweg annehmen - sie ist in sich kreisend, zeigt mir keinen Weg ins Freie, in die Freiheit. Andere sehen das anders und das ist auch in Ordnung, solange sie mich mit Missionierungsversuchen verschonen. Ich bewundere diese Religion als eine Kulturleistung - und auch hier finde ich es wie beim Buddhadharma höchst bedauerlich, wenn sie zum Ersatzteillager privat zurechtgezimmerter Do-ist-yourself-Patchwork-Religionen wird und dadurch ihre Schönheit und ihre innere Schlüssigkeit verliert.

Ein Dialog, zumal ein interreligiöser, lebt von Differenzen, von Unterschieden. Jede Religion hat ihre eigenen, spezifischen Heilsgewissheiten und solche Gewissheiten lassen sich nicht als ein Kompromiss unterschiedlicher Auffassungen neu aushandeln. So etwas befriedigt lediglich Harmoniebedürfnisse. Dahinter steht der Traum einer Einheits- oder Universalreligion - aber das wiederum ist nichts, als der alte Absolutheitsanspruch, der anscheinend untrennbar mit dem westlichen Religionsbegriff verbunden ist, im Tarngewand. Davon halte ich nichts. Und ich denke, auch die meisten Christen, die einen ernsthaften christlich-buddhistischen Dialog führen, nicht.

4 Kommentare:

  1. Ist das immer noch die Haltung der katholischen Kirche oder gibt es neuere Positionen dazu? Der jetzige Papst hat ja möglicherweise etwas andere Ansichten.

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  2. Nun, eine päpstliche Enzyklika ist eine Lehraussage "ex cathedra" und wird damit zwar noch nicht als unfehlbar und damit unumstößlich angesehen (dies trifft nur auf Aussagen zu, die explizit zum Dogma erhoben werden) - aber es ist doch eine Aussage von ganz erheblichem Gewicht, die nicht so schnell mal revidiert wird. Man denke etwa an die Enzyklika Humanae Vita Pauls VI von 1968 (die 'Pillenenzyklika'), die heute noch ohne Abstriche die offizielle Position der katholischen Kirche zu Fragen der Empfängnisverhütung darstellt.

    Darüber hinaus - Benedikt XVI. ist nicht gerade ein weniger konservativer Papst als Johannes Paul II. Jedenfalls gibt es seit 'Redemptoris Missio' keine ähnlich autoritave Aussage zur Frage interreligiöser Dialog einerseits und Missionsauftrag andererseits. Schon gar keine, die 'Redemptoris Missio' relativieren würde.

    Sicher gibt es zwischen Formulierungen offizieller Positionen und der persönlichen Einstellung auch hochrangiger Funktionsträger nicht immer 100% Übereinstimmung. Ein kleines interessantes Detail am Rande - Margareta von Borsigs deutsche Übersetzung des Lotos-Sutras konnte seinerzeit dank eines Druckkostenzuschusses aus der Privatschatulle eines gewissen Kardinal Ratzinger erstmals erscheinen ... Wohl nicht, um damit deutschen Buddhisten eine Wohltat zu erweisen, aber sicher doch, um das Verständnis des Buddhismus bei deutschen Christen und damit den interreligiösen Dialog zu fördern.

    Ansonsten - die offiziellen Verlautbarungen des päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog lesen sich natürlich alle ausnehmend freundlich (http://www.vatican.va/roman_curia/pontifical_councils/interelg/index_ge.htm). Aber die sind natürlich auch nach außen gerichtet - während sich in einer Enzyklika der Stellvertreter Gottes auf Erden an das eigene Kirchenvolk richtet.

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  3. Lieber SoGen,
    danke für deinen Beitrag und für dieses Thema. Ich teile deine Ansicht und möchte dazu noch etwas ergänzen.
    Aus der Sicht der Römisch-Katholischen Kirche und ihres Selbstverständnisses kann hier Dialog nur als Missionierung mit anderen Mitteln verstanden und gelebt werden. Das ist auch in der Enzyklika "Dominus Iesus", die ja vollständig vom jetzigen Papst verfasst wurde, unmissverständlich deutlich gemacht worden.
    Der interreligiöse Dialog wurde ja überhaupt erst zum Thema, aufgrund des Zerfalls der kirchlichen Strukturen. Der Versuch, diesen Zerfall aufzuhalten durch das II. Vat. Konzil ist insofern gescheitert, als eben die gesellschaftlichen Möglichkeiten alle religiösen Milieus auflösen.
    Und das ist ja auch dann das Problem des Islam. Im Dialog zwischen den Religionen kann es dann auch nur um das Thema "Frieden im Angesicht des Zerfalls" gehen und da gibt es vor allem zwei Dialogpartner - Christen und Islam.
    Die historischen Erfahrungen der Menschen in beiden Religionen waren eigentlich immer positiv - sowohl in Spanien, als auch in Griechenland, als auch im Zusammenleben von Arabern und Juden - aber das Machtstreben der religiösen Führer hat immer das friedliche Zusammenleben der Menschen verschiedener Religionen zerstört. Wenn wir also wirklich einen Dialog führen wollen, dann ist das Thema nicht nur "an welchen Gott glauben die?" sondern mit welchem Gott soll denn hier Herrschaft durchgesetzt werden.
    Da nun der Dialog selbst auch eine Form der Herrschaftsausübung ist, halte ich es auch hier noch für wichtig, das Positive am Nicht-Dialog heraus zu stellen. Im Sinne von Faust - der Worte sind genug gewechselt, so lasst uns endlich Taten sehen.
    Hier haben die Christen, die die Welt erobert haben mit ihrem Kreuz, ihrer Kolonialisierung, ihrer Arbeit und ihrem Kapital eine sehr hohe Bringschuld.
    Der Buddhismus, der sich ja leider diesen Prozessen gerne entzieht, hat hier auch noch seinen aktiven Anteil zu leisten und z.B. deutlich zu machen, dass es praktische Wege einer Nicht-Eroberung gibt, die ein wirklich lebenswertes Leben ermöglicht und den Ausstieg aus dem Hamsterrad von Aufbau und Zerstörung.
    Wenn ich mir z.B. jetzt Haiti ansehe und das Ausmaß der Zerstörung durch die Naturgewalt, dann wird mir die Absurdität der Gewalt nur noch deutlicher, die Menschen noch zusätzlich sich antun und das dann in einem Ausmaß, dass die Naturgewalt um Dimensionen übersteigt, denn die Natur ist meistens lokal begrenzt und durch Bausünden und Siedlungssünden ergeben sich entsprechende Opferzahlen. Aber unsere Gewalt ist global und ein einziges Schlachthaus, vor den Augen unserer Götter.

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  4. OT: es gibt auf Wikipedia keinen Eintrag zur "buddhistischen Logik", aka pranama, das würd mich momentan mal interessieren.

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